Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsschutzbedürfnis. Kündigung. Zustimmung. Integrationsamt. schwerbehinderter Mensch. Zustimmung zur Kündigung einer Schwerbehinderten. Antrag nach § 80 VwGO. Beschwerde
Leitsatz (amtlich)
1. Für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegenüber einer gemäß § 88 Abs. 4 SGB IX sofort vollziehbaren Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen fehlt es nicht an einem Rechtsschutzbedürfhis.
2. Das Integrationsamt hat im Rahmen seiner Amtsermittlung sicherzustellen, dass betriebsbedingte Kündigungsgründe tatsächlich bestehen und nicht lediglich vorgeschoben werden.
Normenkette
VwGO §§ 80a, 80 Abs. 5; SGB IX § 88 Abs. 4, § 85
Verfahrensgang
VG Leipzig (Beschluss vom 25.02.2003; Aktenzeichen 2 K 90/03) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 25. Februar 2003 – 2 K 90/03 – geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 15. Januar 2003 gegen den Bescheid des Amtes für Familie und Soziales Leipzig vom 19. Dezember 2002 wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, auf den Antrag der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Zustimmung des Amtes für Familie und Soziales Leipzig zur ordentlichen Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses nach § 85 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) anzuordnen. Aus den von der Antragstellerin dargelegten und für die Überprüfung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung maßgeblichen Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –) folgt, dass es ihrem Antrag entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht an einem anerkennenswerten Rechtsschutzbedürfnis mangelt. Der Antrag ist zudem auch in der Sache begründet.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dem gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 VwGO statthaften Antrag der Antragstellerin fehle es an dem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis, da ihre Rechtsstellung selbst für den Fall eines Erfolgs ihres Antrages nicht verbessert würde. Einer vorläufigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Zustimmung zu ihrer Kündigung käme kein Einfluss auf ihre Rechtsstellung zu, da die Wirksamkeit der ihr gegenüber bereits ausgesprochenen Kündigung durch einen Erfolg im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren nicht beseitigt würde. Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage hemme nach überwiegender Meinung lediglich die Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes. Ihre Anordnung durch das Gericht habe zur Folge, dass Behörden, Gerichte oder Bürger aus dem Inhalt des betreffenden Verwaltungsaktes keine rechtlichen Folgerungen mehr ziehen dürften und bereits getroffene Vollzugsmaßnahmen aufzuheben seien.
Hier hätten weder der Antragsgegner noch die Beigeladene als Arbeitgeber der Antragstellerin Folgerungen tatsächlicher oder rechtlicher Art aus der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle (meint: Integrationsamt) zur Kündigung gezogen. Die Zustimmung entfalte mit ihrer Zustellung an den Arbeitgeber ihre gestaltende Wirkung und bedürfe keiner besonderen Vollzugsmaßnahme. Dieser „vollziehe” die Zustimmung auch nicht durch den Ausspruch der Kündigung. Durch seine Kündigung ziehe er keine Schlussfolgerungen aus dem Zustimmungsbescheid. Vielmehr mache er von einem privatrechtlichen Gestaltungsrecht Gebrauch. Das Zustimmungserfordernis stelle lediglich eine „Sperre” für das zivilrechtliche Kündigungsrecht des Arbeitgebers dar.
Handele es sich bei der Zustimmung um eine nicht vollziehbare Ermächtigung zur Kündigung, könne die Anordnung der aufschiebenden Wirkung keine unmittelbaren Rechtswirkungen auf die ausgesprochene Kündigung haben. Da es auch an der Möglichkeit zu sonstigen, unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis einwirkenden Regelungen fehle, brächte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Antragstellerin keinen rechtlichen Vorteil. In einer möglichen Verbesserung der prozessualen Situation vor den Arbeitsgerichten durch eine stattgebende verwaltungsgerichtliche Eilentscheidung könne noch keine Verbesserung der Rechtsstellung erblickt werden. In einem Eilverfahren vor dem Arbeitsgericht sei dieses dazu berufen, selbständig über das Vorliegen der Voraussetzungen der Kündigung zu entscheiden. Die Frage der Wirksamkeit der Zustimmung werde es dabei erwägen. In einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung läge zudem keine die Arbeitsgerichtsbarkeit bindende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zustimmung.
Zur Begründung ihrer Beschwerde führt die Antragstellerin aus, es sei nichts dafür ersichtlich, dass es auf dem Gebiet des präventiven Kündigungsschutzes nach §§ 85 ff. SGB IX Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte nur im Hauptsacheverfahren geben solle. Das doppelspurige Verfahren vor Verwaltungs- und Ar...