Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrags- und Klagebefugnis. Rechtsschutzbedürfnis. Schwerbehinderte. Kündigung. Auflösungsantrag. Zustimmung zur Kündigung einer Schwerbehinderten. Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz
Leitsatz (amtlich)
Im Fall des übereinstimmenden Auflösungsantrages nach § 9 KSchG entfallt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle.
Normenkette
VwGO § 80; SchwbG § 15; SGB IX § 85
Verfahrensgang
VG Leipzig (Beschluss vom 07.05.2001; Aktenzeichen 2 K 471/01) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 7. Mai 2001 – 2 K 471/01 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe
Die mit Beschluss des Senats vom 5.9.2001 – 5 BS 130/01 – wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Beschwerde ist zurückzuweisen. Sie ist infolge zwischenzeitlich entfallenem Rechtsschutzbedürfnis an einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. nunmehr der Klage gegen die Zustimmung des Antragsgegners zur ordentlichen Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses mit der Beigeladenen unzulässig geworden.
An dem allgemeinen Rechtschutzbedürfnis fehlt es, wenn ein Antragsteller mit seinem Antrag eine Verbesserung seiner Rechtsstellung nicht erreichen kann, der Antrag also zur Zeit nutzlos erscheint (SächsOVG, Beschl. v. 17.12.2001 – 2 BS 251/01 –; BVerwG, Beschl. v. 28.8.1987, BVerwGE 78, 85 [91]).
So liegt es hier. Nach übereinstimmender Darstellung der Beteiligten hat die Antragstellerin im Rahmen der von ihr geführten Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht übereinstimmend mit der Beigeladenen als ihrer Arbeitgeberin die Auflösung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses beantragt. Stellen die Parteien eines Arbeitsverhältnisses übereinstimmend einen Auflösungsantrag oder stimmt eine Partei dem Auflösungsantrag der Gegenpartei zu, so steht fest, dass ein Auflösungsgrund für das Arbeitsverhältnis besteht (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 9. Aufl. 2000, § 141 RdNr. 8; vgl. KR-Spigler, 5. Aufl., 1998, § 9 KSchG RdNr. 66 m.w.N. zur h.M.). Das Arbeitsgericht prüft in diesem Fall nur noch, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt oder ungerechtfertigt war, sowie letzterenfalls, in welcher Höhe die Abfindung gerechtfertigt ist (Schaub, aaO., m.w.N.).
Hinsichtlich der hiernach nicht mehr in Frage stehenden Auflösung des Arbeitsverhältnisses, sondern nur noch in Streit stehenden Frage der sozialen Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigung (dann Abweisung der Kündigungsschutzklage), ist das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber der Zustimmungserklärung der Hauptfürsorgestelle/Integrationsamt (§ 15 SchwbG/§ 85 SGB IX) nicht zu einer Verbesserung der Rechtsposition der Antragstellerin geeignet.
Die Hauptfürsorgestelle hat grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Schwerbehinderten sozial gerechtfertigt i. S.v. § 1 Abs. 1 KSchG ist (BVerwG, Urt. v. 19.10.1995, BVerwGE 99, 336 [340], m.w.N; Hauck/Noftz, SGB IX, § 89 RdNr. 3). Eine Zustimmungsverweigerung der Hauptfürsorgestelle wegen arbeitsrechtlicher Mängel der Kündigung kommt nur für den – vorliegend nicht ersichtlichen – Fall in Betracht, dass die beabsichtigte Kündigung ohne jeden vernünftigen Zweifel aufgrund in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegender und sich jedem Kündigen geradezu aufdrängender Weise arbeitsrechtlich unwirksam ist (BVerwG, Urt. v. 2.7.1992, BVerwGE 90, 287 [295]).
Der Sonderkündigungsschutz des Schwerbehindertengesetzes – SchwbG – bzw. nunmehr der §§ 85 ff. Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch – (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – stellt durch die von ihm geforderte Zustimmung der Hauptfürsorgestelle/ des Integrationsamtes ein öffentlich-rechtliches Wirksamkeitserfordernis im Hinblick auf die arbeitgeberseitig beabsichtigte Kündigung auf. Durch die Erteilung der Zustimmung wird ein bis dahin bestehendes öffentlich-rechtliches Kündigungsverbot aufgehoben. Dieses ist dazu bestimmt, bereits im Vorfeld einer Kündigung die spezifischen Schutzinteressen schwerbehinderter Arbeitnehmer zur Geltung zu bringen und eine mit dem Schutzzweck des Gesetzes unvereinbare Kündigung schon präventiv zu verhindern (BVerwG, Urt. v. 10.9.1992, BVerwGE 91, 7 [9f.]; OVG NW, Urt. v. 23.9.1996, 24 A 4887/94, BehR 1997, 53 = NWVBl 1997, 184 – zitiert nach juris).
Die summarische Überprüfung eines dem Nachteilsausgleich schwerbehinderter Menschen dienenden Sonderkündigungsschutzes in Gestalt der für die beabsichtigte Kündigung als Wirksamkeitsvoraussetzung erforderlichen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle/des Integrationsamtes ist dementsprechend nicht mehr veranlasst, wenn ein geschützter Arbeitnehmer in Übereinstimmung mit dem Arbeitgeber die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses beantragt und hierdurch zu erkenn...