Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbehelfsbelehrung. Jahresfrist. Bekanntgabefiktion. Abwasserbeitrag. Selbstverwaltung. Verwaltungspraktikabilität. Typengerechtigkeit. Abwasserbeitrags

 

Leitsatz (amtlich)

1. Voraussetzung für die Fiktion der Bekanntgabe eines durch die Post im Inland übermittelten Verwaltungsaktes ist ein feststellbarer Zeitpunkt seiner Aufgabe zur Post.

2. Zur Nichtigkeit einer Abwasserbeitragssatzung, in deren Gebiet die Abwasserbeseitigung als eine öffentliche Einrichtung betrieben wird, wenn rund 98 % der Fläche schmutz- und niederschlagswasserentsorgt werden.

 

Normenkette

VwGO §§ 58, 70; VwVfG § 41; AO § 122; SächsKAG § 9 Abs. 2, § 17 Abs. 1, 4

 

Verfahrensgang

VG Dresden (Urteil vom 14.05.2002; Aktenzeichen 2 K 539/97)

 

Nachgehend

BVerwG (Beschluss vom 13.11.2003; Aktenzeichen 9 B 61.03)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 14. Mai 2002 – 2 K 539/97 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung gegen die Aufhebung ihres Beitragsbescheides durch Urteil vom 14.5.2002.

Mit Bescheid vom 20.11.1995 zog die Beklagte den Kläger als Eigentümer des Flurstücks G1 der Gemarkung O. zu einem Abwasserbeitrag i.H.v. 4.412, 25 DM heran.

Der Beitragserhebung lag die Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung – Abwasserstammsatzung (AbwS) – vom 16.12.1993 zugrunde, welche in ihrer letzten Änderungsfassung vom 21.11.1996 u.a. folgende Regelungen enthielt:

„I. Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Öffentliche Einrichtung, Anfall des Abwassers

(1) Die Stadt betreibt die Beseitigung des in ihrem Gebiet angefallenen Abwassers als eine öffentliche Einrichtung. …

(2) Als angefallen gilt Abwasser, das

  1. über die Grundstücksentwässerungsanlage (§ 4) in die öffentlichen Abwasseranlagen gelangt (zentrale Abwasserbeseitigung);
  2. in abflußlosen Gruben oder in Absetzbecken von Versickerungsanlagen gesammelt wird (dezentrale Abwasserbeseitigung).

V. Beiträge, Gebühren

§ 9 Verweisung auf Beitrags- und Gebührensatzungen und Entstehen der Beitragsschuld

(1) Zur Aufbringung des Betriebskapitals der Abwasserbeseitigung erhebt die Stadt Beiträge nach der Beitragssatzung.

VI. Haftung, Ordnungswidrigkeiten, Übergangsbestimmungen, Inkrafttreten

§ 13 Inkrafttreten

(1) Diese Satzung tritt am 1. Januar 1994 in Kraft.

(2) Die in der Stadtratssitzung am 21.11.1996 beschlossenen Novellierungen treten am 1. Dezember 1996, zeitigstens jedoch am Tage nach ihrer Bekanntmachung im Radebeuler Amtsblatt in Kraft.

(3)…

Die Satzung über die Erhebung von Abwasseranschlussbeiträgen – Abwasserbeitragssatzung (AbwBS) – vom 28.4.1995, in der Fassung vom 21.11.1996, enthielt u.a. folgende Regelungen:

§ 1 Erhebungsgrundsatz

(1) Die Stadt erhebt zur angemessenen Ausstattung der öffentlichen Abwasserbeseitigung auf der Grundlage der Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung – Abwassersatzung – (AbwS) vom 16.12.1993 (Radebeuler Amtsblatt Nr. 1/1994) in der Fassung der Änderung vom 21.11.1996 als Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung – Abwasserstammsatzung – (AbwS) und der Genehmigung der Globalberechnung Abwasserbeseitigung vom 28.4.1994 in der Fassung der Ergänzungen vom 21.11.1996 einen Abwasseranschlussbeitrag.

(2) Die Höhe des Betriebskapitals wird auf 52.694.190 DM festgesetzt.

§ 4 Beitragsmaßstab

Maßstab für die Bemessung des Abwasserbeitrags ist die Nutzungsfläche. Diese ergibt sich durch Vervielfachung der Grundstücksfläche (§ 5) mit dem Nutzungsfaktor (§ 6).

§ 7 Beitragssatz

Erhoben wird ein einmaliger Beitragssatz von 4,77 DM/qm Nutzungsfläche.

§ 11 Inkrafttreten

(1) Diese Satzung tritt am 1. Juni 1995, zeitigstens jedoch mit der öffentlichen Bekanntmachung in Kraft. Mit dem Inkrafttreten tritt die Satzung vom 28.04.1994 über die öffentliche Abwasserbeseitigung – Abwasserbeitragssatzung – außer Kraft.

(2) Die in der Stadtratssitzung am 21.11.1996 beschlossene Novellierungen treten am 1. Dezember 1996, zeitigstens jedoch am Tage nach ihrer Bekanntmachung im Radebeuler Amtsblatt in Kraft.

(3) Die Neufassung ist ortsüblich bekannt zu machen.”

Der Stadtrat der Beklagten beschloss am 10.8.2000 eine im Radebeuler Amtsblatt Nr. 9/2000 vom 1.9.2000 veröffentlichte Neufassung seiner Abwasserbeitragssatzung. Mit dieser Neufassung änderte die Beklagte in Ansehung der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. SächsOVG, NK-Urt. v. 29.11.2001, SächsVBl 2002, 116 m.w.N.) ihre bisherigen Regelungen zur Grundstücksfläche (§ 5) und zum Nutzungsfaktor (§ 6). Für deren In-Kraft-Treten traf sie folgende Regelung:

㤠11 РInkrafttreten

Diese Satzung tritt am Tage nach ihrer Bekanntmachung im Radebeuler Amtsblatt rückwirkend zum 2. Dezember 1996 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Abwasserbeitragssatzung (AbwBS) in der Fassung vom 21.11.1996 außer Kraft.”

Auf eine Mahnung der Beklagten vom 10.12.1996 teilte ihr der Kläger mit Schreiben vom 20.12.1996 mit, sich bereits mit nicht in den Akten befindl...

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