Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Beschlossenes Sanierungskonzept einer Großanlage (Aparthotel, Kurzentrum mit Restaurant und Bäderbetrieb)
Zum Zwecke einer Sanierung beschlossener Treuhandverein einer Eigentümergruppe
Sonderumlage zum Ausgleich von Wohngeldausfällen
Beschlussnichtigkeitsfragen (hinsichtlich beschlossener Aufwendungserstattung der Eigentümer an den Treuhandverein)
Normenkette
§ 16 Abs. 2 und 3 WEG, § 21 WEG, § 23 Abs. 4 WEG
Kommentar
1.In einer großen Mehrhausanlage mit Restaurant, Schwimmbad, med. Bädern und weiteren Gewerberäumen (Kurzentrum und Aparthotel für Kur oder klinische Behandlung oder für Behandlungen nach anerkannten Naturheilverfahren) ging schon 1986 der Eigentümer der gewerblichen Teileigentumseinheiten (eine Hotelbetriebsgesellschaft mit etwa 20% der Miteigentumsanteile) in Konkurs. Es kam dann zu Wohngeldausfällen in der Gemeinschaft von etwa 1,3 Mio DM. Für das gewerbliche Teileigentum wurde die Zwangsversteigerung angeordnet. 1991 gründeten dann einige Eigentümer einen Treuhandverein mit dem Ziel der Übernahme des Gewerbeteils. In einer ausführlichen Satzung wurde u.a. auch der Vereinszweck festgelegt ("Integration des Gewerbeteils in die Struktur der Eigentümergemeinschaft ... einschließlich zwischenzeitlicher Bewirtschaftung ..."). Vereinsmitglieder sollten nur Wohnungseigentümer sein. In der Folgezeit kam es zu entsprechenden bestandskräftigen Beschlüssen in der Gemeinschaft zu diesem Sanierungskonzept. Der Treuhandverein erwarb dann 1993 die Gewerbeeinheiten durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung; die Finanzierung erfolgte durch Bankdarlehen sowie Darlehen von Wohnungseigentümern. Dem Verein gelang es jedoch nicht, das Restaurant und die medizinische Bäderabteilung langfristig weiter zu verpachten; der Verein konnte auch laufende Wohngelder von ca. monatlich DM 26.000,- ab Mitte 1994 nicht mehr bezahlen. So kam es zur Beschlussfassung in der Gemeinschaft über die Erhebung einer Sonderumlage, um die Wohngeldausfälle auszugleichen (in Höhe von DM 500.000,-).
Die Beschlussanfechtung gegen diesen Beschluss und die Nichtigkeitsfeststellung der schon früher gefassten Beschlüsse (von 1991 und 1993) wurden vom Senat als unbegründet zurückgewiesen.
2. Der Senat beschäftigte sich ausführlich mit der Frage, ob ein Eigentümerbeschluss nichtig sei, der sämtliche Eigentümer verpflichte, die Aufwendungen einer Gruppe von Eigentümern (hier: eines Treuhandvereins) für den Erwerb eines Sondereigentums im Wege der Zwangsversteigerung zu übernehmen und sie als Eigentümer dieses Sondereigentums von Wohngeldzahlungen und laufenden Kosten freizustellen, soweit diese nicht aus der Bewirtschaftung des Sondereigentums aufgebracht werden können. Nichtig sei ein Beschluss nur, wenn er gegen ein zwingendes gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoße oder zwingende Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes verletze und damit nicht mehr in die Entscheidungskompetenz der Gemeinschaft falle. Der Senat erklärte die früheren, nicht angefochtenen Beschlüsse entgegen der Meinung der Vorinstanz nicht für nichtig. Es müsse nämlich eine inhaltliche Gesamtwürdigung der damaligen Beschlusspakete vorgenommen werden.
Für diese Prüfung möglicher Beschlussnichtigkeit seien die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch die Versammlung maßgebend, auch wenn sich das Sanierungsprojekt später als nicht erfolgreich herausstellte. Mit sämtlichen damaligen Beschlüssen habe die Gemeinschaft ihre Kompetenznicht in einem zu einer Beschlussnichtigkeit führenden Ausmaß überschritten (dies wird in den Entscheidungsgründen im Einzelnen näher dargelegt). Zur Regelung der Angelegenheiten des Gemeinschaftsverhältnisses können durch Eigentümerbeschluss auch schuldrechtliche Verbindlichkeiten begründet und ausgestaltet werden. Insoweit ist kein enger Maßstab anzulegen. Dabei kommt es nicht nur auf den mit der Beschlussfassung verfolgten Zweck, sondern auch darauf an, ob eine beschlossene Maßnahme einen Inhalt hat, der mit der Grundordnung des Gemeinschaftsverhältnisses vereinbar ist oder den danach zulässigen Rahmen der Verwaltung sprengt. Kostenverteilungsänderungen mit geänderten Eigentümer-Zahlungspflichten werden im Beschlussfalle ohne erfolgte Beschlussanfechtung bestandskräftig als sog. vereinbarungsersetzende oder -abändernde Beschlüsse. § 16 Abs. 2 und 3 WEG ist keine gesetzlich zwingende Vorschrift. Bei abweichender Beschlussfassung wird der dingliche Kernbereich des Wohnungseigentums nicht berührt. Im vorliegenden Fall lagen auch besondere Umstände vor, nämlich Interessen der Gesamtheit der Gemeinschaft, die Anlage im Rahmen eines umfassenden Sanierungskonzepts weiterzuführen. Die angestrebte Werterhaltung der Gesamtanlage lag damit nicht nur im Interesse der dem Treuhandverein beigetretenen Eigentümer. Das Interesse der Gesamtgemeinschaft lag schon daran, in Zukunft wieder Wohngelder aus den gewerblich genutzten Einheiten zu erhalten sowie bestehende Liquiditätsschwierigkeiten zu beseitigen.
Auch von Sittenw...