Rz. 41
Abs. 1 Satz 4 fordert einen Beitrag der Arbeitsförderung zu einem hohen Beschäftigungsstand und zu einer ständigen Verbesserung der Beschäftigtenstruktur. Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber davon Abstand genommen hat, der Bundesagentur für Arbeit allein die Verantwortung für Fortschritte auf dem Arbeitsmarkt aufzuerlegen. Vollbeschäftigung ist unabhängig von der Diskussion darüber, bei welcher Arbeitslosenquote sie erreicht ist, nicht erwähnt. Ein hoher Beschäftigungsstand kommt der Vollbeschäftigung aber nahe. Wann Vollbeschäftigung als das eigentliche Ziel erreicht vorliegt, wird aus politischer, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Perspektive unterschiedlich beurteilt. Die Beschäftigung in Deutschland erreicht seit einigen Jahres jährlich ein neues Rekordniveau. Unterhalb der Vollbeschäftigung ist dieselbe das Ziel, dem die Bundesagentur für Arbeit um so näher kommt, je höher der Beschäftigungsstand ist und je mehr er an die Vollbeschäftigung heranreicht. Ein hoher Beschäftigungsstand und eine günstige Beschäftigungsstruktur sind maßgebend auch davon abhängig, inwieweit Arbeitgeber intern ihre Mitarbeiter qualifizieren und diese Qualifizierungsangebote wahrnehmen (Stichwort lebenslanges Lernen). Der Gesetzgeber tut sich noch schwer damit, die Förderung der beruflichen Weiterbildung im Betrieb entscheidend voranzubringen. Das muss verwundern, weil er dadurch doch auch zugleich Sozialausgaben wegen Arbeitslosigkeit vermeiden kann. Insbesondere darf unter lebenslangem Lernen nicht erst eine berufliche Weiterbildung ab einem bestimmtem Lebensalter verstanden werden, da kann es in vielen Fällen schon zu spät sein. In diesem Zusammenhang wird auch ein Erwerbstätigenkonto vorgeschlagen, auf dem sich sozusagen ein Vorrat an möglicher beruflicher Weiterbildung befindet, auf das jeder Arbeitnehmer individuell zugreifen kann.
Rz. 42
Eine ständige Verbesserung der Beschäftigungsstruktur hat viele Aspekte. Sie stellt das qualitative Gegenstück zum Beschäftigungsstand dar. Beschäftigungsstrukturen können nur dann maßgebend beeinflusst werden, wenn die Einschaltung des Trägers der Arbeitsförderung durch die Arbeitsmarktpartner dies zulässt und ein geeignetes Wissen wie Instrumentarium dafür zur Verfügung steht. Hinter der Beschäftigungsstruktur verbergen sich im Zeitgeist unterschiedliche Prioritäten, wozu aktuell der Ausbau des Dienstleistungsbereichs, die Digitalisierung und eine ältere Arbeitnehmer in vernünftigem Umfang einbeziehende Altersstruktur gehören dürften. Weitere Aspekte sind die Anteile unterwertiger Beschäftigung, die Arbeitsbedingungen, die Beschäftigung spezifischer Personengruppen mit und ohne Vermittlungshemmnissen sowie die Verteilung der Beschäftigung, z. B. auf Ballungsräume und ländliche Gebiete. Eine günstige Beschäftigungsstruktur trägt besser zum Ausgleich auf dem Arbeitsmarkt bei und verringert damit Arbeitslosigkeit. Der Gesetzgeber hat mit dem Qualifizierungschancengesetz insbesondere die Möglichkeiten der berufsbezogenen Qualifizierung deutlich erweitert und unabhängig u. a. vom Lebensalter gestaltet (vgl. § 82). Die Förderung der beruflichen Weiterbildung und die Ausbildungsförderung sind auch in 2020 weiter ausgebaut worden (vgl. das Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung und den Abschnitt 2).
Rz. 43
Handlungsleitend und Programm der Arbeitsmarktpolitik ist damit insbesondere ein subventionsfreies Instrumentarium, das Hemmnisse im Einzelfall beseitigen oder lindern kann, die mehr oder strukturell verbesserter Beschäftigung entgegenstehen. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ist der Gesetzgeber selbst dazu aufgerufen, die Ausgestaltung der Leistungen so vorzunehmen, dass Mitnahmeeffekte weitestgehend unterbleiben. Daran hält sich der Gesetzgeber aber nicht, wie z. B. die Regelungen über den Vermittlungsgutschein in § 45 belegen. Einen Schwerpunkt setzt der Gesetzgeber neben einem Berufsabschluss auch bei der beruflichen Weiterbildung, um insbesondere der Fachkräftenachfrage zu begegnen. Zwischenzeitlich werden für das Bestehen der Prüfungen spezifischer Weiterbildungen Prämien ausgezahlt. Erforderlich werden aber auch intensive und unabhängige, fachlich gleichwohl hoch kompetente Weiterbildungsberatungen, insbesondere in Bezug auf die Veränderungen der Berufsbilder durch Digitalisierung und Automatisierung. Eine Weiterbildungsquote von nur 35 % in Betrieben dürfte als unzureichend und nicht zukunftssichernd anzusehen sein. Bildungsinvestitionen müssen mehr auch zu selbstverständlichen Bestandteilen der Arbeitsförderung i. S. einer Arbeitslosenversicherung werden, Lösungsmöglichkeiten sind bis hin zu einem persönlichen Budget für jeden Arbeitnehmer denkbar, vorgeschlagen werden z. B. persönliche Erwerbstätigenkonten.