Rz. 1a
Die Vorschrift bestimmt die Berücksichtigung von Einkommen beim Arbeitslosengeld (Alg), das aus einer unselbstständigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit während des Bezuges von Alg erarbeitet worden ist, ohne dass hierdurch Arbeitslosigkeit als Anspruchsvoraussetzung entfallen wäre. Die Anrechnung von Nebeneinkommen soll den Anreiz zur Aufnahme von Nebenbeschäftigungen erhöhen und den Arbeitslosen die Möglichkeit geben, Kontakt zur Arbeitswelt zu halten. Durch Anrechnung von Nebeneinkommen sinken die Ausgaben der Arbeitslosenversicherung. Das setzt sich ggf. bei den Steuermitteln fort, falls der Arbeitslose nach Erschöpfen des Anspruchs auf Alg Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Anspruch nimmt. Dann allerdings profitieren der Bund und ggf. die kommunalen Träger von dem Einkommen aus der Erwerbstätigkeit. Die Rechtsprechung gesteht jedem Arbeitslosen das Recht zu, sich jederzeit ohne weitere Begründung aus dem Bezug von Alg abzumelden. Je nach Zweck der Abmeldung drohen allerdings Rechtsfolgen wie der Eintritt einer Sperrzeit und die Minderung der Anspruchsdauer auf Alg (vgl. §§ 148, 159). Eine punktuelle Abmeldung aus dem Leistungsbezug etwa für einen Leistungstag kann auch dazu dienen, am Abmeldetag erarbeitetes Einkommen der Anrechnung nach § 155 zu entziehen. Dem könnte § 46 SGB I entgegenstehen (SG Berlin, Urteil v. 20.7.2012, S 58 AL 2708/12, vgl. zum Fall einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung SG Berlin, Urteil v. 24.5.2012, S 58 AL 107/13). Die Besonderheit, dass der eine Beschäftigungstag ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis darstellt, soll die Annahme ausschließen, dass die Abmeldung zur Umgehung von § 155 vorgenommen wird; der Umstand soll im Übrigen wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes einer Minderung der Anspruchsdauer nach § 148 Abs. 1 Nr. 6 entgegenstehen (SG Berlin, Urteil v. 24.5.2013, S 58 AL 107/13).
Rz. 1b
Nebenbeschäftigungen, selbstständige Tätigkeiten und Tätigkeiten als mithelfender Familienangehöriger neben dem Bezug von Alg werden grundsätzlich durch § 138 Abs. 3 ermöglicht, wenn sie eine Arbeitszeit von weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassen. Die Arbeitszeiten aus mehreren Erwerbstätigkeiten werden dabei zusammengerechnet. Gelegentliche Abweichungen von der wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 15 Stunden bleiben unberücksichtigt, wenn sie von geringer Dauer sind. Die mögliche Dauer hängt von der Dauer der Nebenbeschäftigung bzw. Nebentätigkeit ab. Vgl. dazu im Einzelnen die Komm. zu § 138.
Rz. 1c
Abs. 1 räumt einen Freibetrag aus der Erwerbstätigkeit in Höhe von 165,00 EUR monatlich ein. Der Freibetrag bezieht sich auf den Monat, in dem die Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde. Er wird von dem bereinigten Einkommen aus einer unselbstständigen Beschäftigung abgesetzt, nachdem von den Bruttoeinnahmen die Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und Werbungskosten abgesetzt wurden. Der Freibetrag umfasst daher bei Ausschöpfung der möglichen Arbeitszeit einen Nettostundenlohn von ca. 2,55 EUR. Die Freibetragsgrenze ist seit vielen Jahren nicht verändert worden. Sie gilt auch als Schranke für Leistungsmissbrauch, wenn Nebenbeschäftigungen nach Umfang und Arbeitsentgelt im maximal freien Umfang bescheinigt werden.
Rz. 1d
Bei selbstständigen Tätigkeiten und Tätigkeiten als mithelfender Familienangehöriger wird anstelle der Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und Werbungskosten eine Pauschale von 30 % der Betriebseinnahmen als Betriebsausgabe abgesetzt (Abs. 1 Satz 2). Dem Arbeitslosen bleibt es unbenommen, höhere Betriebsausgaben nachzuweisen. Durch diese Regelung soll das Verwaltungsverfahren bei selbstständigen Tätigkeiten und Tätigkeiten als mithelfender Familienangehöriger vereinfacht werden und dem Arbeitslosen eine Kalkulation seines Gewinnes ermöglichen, der ihm anrechnungsfrei verbleibt.
Bei der Anrechnung von Nebeneinkommen soll dann, wenn das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erzielt wird, pauschal auf das auf den jeweiligen Leistungsmonat zu 1/12 umgelegte steuerliche Jahresergebnis abgestellt werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 7.5.2018, L 20 AL 211/15, unter Hinweis auf LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 21.2.2014, L 3 AL 29/12). Nach Auffassung des BSG sind bei der Anrechnung von Nebeneinkommen selbstständige Tätigkeiten nur dann Anknüpfungspunkt für ein "Erarbeiten" im Alg-Bezugsmonat, wenn sie bei wertender Betrachtung von Bedeutung für die konkrete Einkommenserzielung waren (BSG, Urteil v. 7.5.2019, B 11 AL 10/18 R). Eine Anrechnung von Nebeneinkommen kann nur dann vorgenommen werden, wenn das monatliche Arbeitsentgelt/Arbeitseinkommen tatsächlich einem Alg-Leistungsmonat zuordenbar ist.
Rz. 1e
Abs. 2 enthält eine weitergehende Vergünstigung für die Arbeitslosen, die in den letzten 18 Monaten vor der Entstehung des Anspruchs auf Alg eine Erwerbstätigkeit neben einem Versicherungspflichtverhältnis für mindestens 12 Monate ausgeübt haben. Auch ihnen wird grundsätzlich ein Freibetrag von mindes...