Rz. 2
§ 155 unterscheidet einerseits nach Personengruppen, andererseits nach dem von dem Nebeneinkommen geprägten Lebensstandard des Arbeitslosen. Grundsätzlich gelten die Anrechnungsvorschriften gleichermaßen für abhängige Nebenbeschäftigungen, selbstständige Tätigkeiten und Tätigkeiten als mithelfender Familienangehöriger sowie Einkünfte aus sonstiger steuerpflichtiger Tätigkeit, z. B. Einkünfte an Diäten bei Abgeordneten:
- Abs. 1 regelt die Anrechnung von Nebeneinkommen aus kurzzeitiger Beschäftigung oder Tätigkeit.
- Abs. 2 bestimmt die Anrechnung von Nebeneinkommen aus der Fortführung einer kurzzeitigen Erwerbstätigkeit, die neben einem Versicherungspflichtverhältnis als geringfügige oder kurzzeitige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde.
Abs. 1 bestimmt den für die gesamte Vorschrift geltenden Grundsatz der Anrechnung und den Regelfreibetrag, Abs. 2 beschreibt besondere Freibeträge bei Vorliegen spezifischer Voraussetzungen. Hat ein (abhängig) Beschäftigter gegenüber seinem Arbeitgeber wöchentliche Stundennachweise geführt und ihm diese regelmäßig übergeben, können diese im Zweifel als tatsächlich geleistet angenommen werden und zur Beurteilung der Kurzzeitigkeit herangezogen werden.
In ausländischer Währung ausgezahltes Nebeneinkommen rechnen die Agenturen für Arbeit in EUR um. Richtig dürfte sein, den Wechselkurs am Auszahlungstag zu berücksichtigen, er spiegelt den tatsächlichen Verdienst.
Abs. 4 ist als Spezialvorschrift anzusehen, die nach der Einführung des Alg bei beruflicher Weiterbildung und gleichzeitiger Aufhebung der Vorschriften über das Unterhaltsgeld systematisch nur in § 155 angefügt werden konnte.
Rz. 3
§ 155 setzt (mit Ausnahme des Abs. 4) eine Beschäftigung oder Tätigkeit des Arbeitslosen selbst voraus. Die Regelung erfasst daher von vornherein nicht sog. mühelose Einkünfte wie z. B.
- Renten,
- Einkommen aus Kapitalvermögen,
- Einkommen aus Beteiligungen,
- Einkommen aus Vermietung und Verpachtung,
- Erziehungsgeld, Elterngeld und Pflegegeld aus Pflegetätigkeit ohne Erwerbsabsicht, Leistungen für die Betreuung eines Kindes in Vollzeitpflege (§ 39 SGB VIII),
- Erbschaften, Schenkungen, Glücksspielgewinne,
- steuerfreie Aufwandsentschädigungen.
Dasselbe gilt, wenn an die Stelle von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Entgeltersatzleistungen aus der Sozialversicherung treten; für diese gelten spezielle Vorschriften (vgl. § 156). Allerdings müssen Entschädigungszahlungen für die Nichtverwertbarkeit der Arbeitskraft, z. B. bei Verdienstausfall, dem Nebeneinkommen hinzugerechnet werden.
Ebenso werden Entschädigungen ehrenamtlicher Mitglieder in kommunalen Vertretungsorganen, auch, soweit Steuerpflicht besteht, nicht nach § 155 berücksichtigt.
Rz. 4
Voraussetzung für die Anwendung der Regelung in diesem Rahmen (Abs. 1 und 2) ist ferner, dass der Arbeitslose eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit während einer Zeit ausübt, für die er zugleich Anspruch auf Alg hat. Während des Bezuges erzieltes Nebeneinkommen, das außerhalb des Leistungsbezuges erarbeitet wurde, bleibt unangetastet (vgl. dazu auch BSG, Urteil v. 5.9.2006, B 7a AL 38/05 R). Unerheblich ist, ob der Bezug von Alg noch nicht begonnen hatte oder schon wieder beendet war oder der Leistungsbezug, auch wegen eines Ruhenstatbestands, nur unterbrochen war, z. B. auch deshalb, weil die Leistung nach vorheriger schriftlicher Rechtsfolgenbelehrung wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 SGB I versagt oder entzogen worden ist. Andererseits wird auch das Nebeneinkommen von § 155 erfasst, das während des Leistungsbezuges erarbeitet wird, aber außerhalb des Leistungsbezuges zufließt.
Die Vorschrift trifft eine Regelung dazu, wann angerechnet wird, nämlich in dem Kalendermonat der Ausübung der nebenberuflichen Erwerbstätigkeit. Es fehlt eine § 158 Abs. 4 bzw. § 157 Abs. 3 nachgebildete Regelung über eine Gleichwohlleistung. Daraus dürfte zu schließen sein, dass zwar zeitnah anzurechnen ist, jedoch nicht zwingend, bevor der Arbeitslose das Nebeneinkommen auch zur Bestreitung seines Lebensunterhalts einsetzen kann. Ist mit einem tatsächlichen Zufluss überhaupt nicht zu rechnen, z. B. wegen Insolvenz des Arbeitgebers, kommt eine Anrechnung nicht in Betracht, es sei denn, dass der fehlende Zufluss dem Arbeitslosen zuzurechnen ist (Verzicht, Pfändung, Abtretung usw.).
Das schließt nicht aus, ständiges Nebeneinkommen laufend in vorläufiger Höhe zu berücksichtigen und in regelmäßigen Abständen eine Gesamtabrechnung vorzunehmen. Die Höhe des Nebeneinkommens darf nach Maßgabe des § 329 auch geschätzt werden. Das kann sich insbesondere bei selbstständigen Tätigkeiten als notwendig erweisen.
Einmalige Zahlungen rechnen die Agenturen für Arbeit in dem Monat an, in dem es dem Arbeitslosen zugeflossen ist.
Rz. 5
Ausgangspunkt für die Anrechnung von Nebeneinkommen ist das Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung, der Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit (auch der buchführungspflichtigen Land- und Forstwirte) bzw. der nach Durchschnittssätzen ermittelte Gewinn gemäß §...