Rz. 3
§ 3 ordnet die Leistungen nach ihren Charakteren bzw. Erbringungsformen und Zielsetzungen, dagegen nicht mehr wie bis zum 31.3.2012 nach den am Geschehen auf dem Arbeitsmarkt maßgeblich beteiligten Gruppen, nämlich der Aufzählung der Leistungen an Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie für Träger als Empfänger bzw. Anspruchsberechtigte. Die Leistungen werden seither vielmehr im Dritten und Vierten Kapitel nach den vorhandenen Bedarfslagen geordnet und geregelt: Beratung und Vermittlung, Aktivierung und berufliche Eingliederung, Berufswahl und Berufsausbildung, Berufliche Weiterbildung, Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, Verbleib in Beschäftigung und Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben. Die Aufnahme der Weiterbildungskosten zum nachträglichen Erwerb eines Berufsabschlusses mit Wirkung zum 29.5.2020 ist Folge einer Änderung in § 81 Abs. 2. Dort ist die Förderung einer berufsabschlussbezogenen Weiterbildung für Arbeitnehmer ohne Berufsabschluss zu demselben Zeitpunkt von einer Ermessens- in eine Pflichtleistung umgewandelt worden.
Rz. 4
Die Entwicklungen in Deutschland bis ins Frühjahr 2020 zeigen dem Gesetzgeber der Ausbildungs- und Weiterbildungsförderung zufolge die Bedeutung einer soliden Erstausbildung für junge Erwachsene. Doch ist es demnach wichtig, im Sinne eines lebensbegleitenden Lernens zugleich auch die Weiterbildung zu stärken (unter Hinweis auf den IAB-Kurzbericht 26/2018). Trotz der gestiegenen Weiterbildungsbeteiligung sind es nach den Daten des Nationalen Bildungspanels genau die von Substituierung am stärksten betroffenen Personengruppen, die seltener an Weiterbildung teilnehmen: Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung in Tätigkeiten mit einem hohen Risiko, durch Computer ersetzt zu werden, nehmen lediglich zu 7 % an Weiterbildung teil (bei geringem Risiko zu 37 %). Auch die Weiterbildungsintensität ist geringer (unter Hinweis auf IAB-Kurzbericht 16/2019). Aktuell entfallen mehr als 20 % aller Eintritte in Maßnahmen der Förderung der beruflichen Weiterbildung auf abschlussorientierte Maßnahmen (rd. 64.000 im Jahr 2018). Der Strukturwandel wird sich auf Branchen und Regionen unterschiedlich auswirken. Der Grad der erreichbaren und angestrebten Automatisierung hängt stark vom Tätigkeitsfeld eines Unternehmens ab. In vielen Bereichen des verarbeitenden Gewerbes ist mit einer starken Anpassung zu rechnen. Eine zentrale Herausforderung in diesem Transformationsprozess besteht demnach darin, Arbeitskräfte in den betroffenen Branchen und Regionen beim Übergang in neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu unterstützen und durch den Strukturwandel bedingte Arbeitslosigkeit zu vermeiden.
Rz. 5
Angesichts der arbeitsmarktlichen Entwicklungen und Herausforderungen kommt der Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten bei der Umgestaltung der Arbeitswelt demnach ebenfalls eine zentrale Rolle zu. Lebensbegleitendes Lernen wird eine Grundvoraussetzung sein, um den Veränderungen der Wirtschafts- und Arbeitswelt erfolgreich zu begegnen. Neben Möglichkeiten zielgerichteter Qualifizierungsmaßnahmen zur Sicherung der langfristigen Beschäftigungsfähigkeit müssen aber auch Vorkehrungen getroffen werden, um kurzfristige konjunkturelle Risiken besser abzusichern. Zentrale Herausforderung ist u. a., Arbeitslose und beschäftigte Erwachsene ohne Berufsabschluss oder mit einem Berufsabschluss, der nicht mehr verwertbar ist, beim strukturellen Wandel nicht zurückzulassen. Es zeichnet sich ab, dass sowohl die Transformation als auch konjunkturelle Risiken in den nächsten Jahren vermehrt Arbeitsausfälle mit sich bringen könnten, die die Unternehmen insbesondere bei längerer Kurzarbeit verstärkt für die Weiterbildung ihrer Beschäftigten nutzen sollten. Eine gute Berufsausbildung ist stärker als bisher zentrale Voraussetzung für einen gelingenden und nachhaltigen Berufseinstieg. Neben dem Eintritt in eine abschlussbezogene Maßnahme gilt es auch, Anreize für den erfolgreichen Abschluss zu sichern. Die Teilnahme an einer mehrjährigen, abschlussbezogenen Weiterbildung stellt für erwachsene Teilnehmer hohe Anforderungen an Motivation und Durchhaltevermögen (durchschnittliche Abbruchquote rd. 25 %). Trotz bereits erfolgter Verbesserungen insbesondere durch das Qualifizierungschancengesetz besteht beim Förderinstrumentarium der Arbeitsmarktpolitik aus Sicht des Gesetzgebers weiterer Handlungsbedarf. Damit wird auch der Forderung der OECD Rechnung getragen, Bildungs- und Weiterbildungssysteme an die Veränderungen am Arbeitsmarkt anzupassen (OECD Skills Outlook 2019).
Rz. 6
Angesichts der guten Arbeitsmarktchancen für Fachkräfte und das hohe Arbeitslosigkeits- und Substituierungsrisiko von Geringqualifizierten sieht die Ausbildungsförderung seit dem 29.5.2020 einen Rechtsanspruch auf Förderung einer beruflichen Nachqualifizierung zum Nachholen eines Berufsabschlusses vor (Abs. 3 Nr. 4). Durch den Rechtsanspruch sollen mehr Geringqualifizierte für eine berufsabschlussbezogene Weiterbildung gewonnen, Berufs- und Aufstiegschancen v...