Rz. 3
Abs. 1 Satz 1 verschärft das Antragserfordernis aus § 323 um die Notwendigkeit einer vorzeitigen Antragstellung. An die Antragstellung ist keine besondere Form zu verlangen. Der Gesetzgeber will grundsätzlich erreichen, dass der Leistungsberechtigte zunächst die Leistung beantragt und erst dann mit der Aktivität beginnt, die den Leistungsanspruch begründet, z. B. an einer Eingliederungsmaßnahme teilnimmt. Dies ist in den Fällen gut nachvollziehbar, in denen die Leistung von weiteren Voraussetzungen abhängt, die der Berechtigte nicht mit Gewissheit selbst prüfen kann (z. B. die Beurteilung der Eignung) oder in denen mit dem Eintritt nicht unerhebliche finanzielle Verpflichtungen eingegangen werden. Die Arbeitsverwaltung erhält Gelegenheit, u. a. die ins Auge gefasste Maßnahme zu prüfen, bei bereits zugelassenen Maßnahmen geht es immer noch um die Passgenauigkeit für den betroffenen Arbeitnehmer im Einzelfall. Der Gesetzgeber hat darüber hinaus das Risiko schädlicher Dispositionen, insbesondere durch Träger von Maßnahmen als Dritte, gesehen.
Rz. 4
Die Vorschrift begründet keinen Anspruch auf Bescheidung durch die Agentur für Arbeit vor dem Eintritt des die Leistung begründenden Ereignisses (z. B. Maßnahmebeginn). Das kann die Arbeitsverwaltung schon deshalb nicht leisten, weil der Antrag in einer unkalkulierbaren Anzahl erst am Tag zuvor gestellt werden könnte.
Rz. 4a
Die Festlegung des die Leistung begründenden Ereignisses ist nach Sinn und Zweck der jeweiligen Leistung vorzunehmen. Der Beginn einer Eingliederungsmaßnahme wird regelmäßig als das die Leistung begründende Ereignis angesehen werden, obwohl bei einem Antrag am Vortag keine vernünftige Zeitspanne mehr verbleibt, die Maßnahme zu prüfen und dem Arbeitnehmer zumindest einen Hinweis auf die Förderung zu geben. Bei Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung stellt sich das Problem allerdings nicht, weil die grundsätzliche Förderzusage bereits auf dem ausgegebenen Bildungsgutschein dokumentiert ist. Bei Eingliederungszuschüssen kommt als das die Leistung begründende Ereignis sowohl der Beschäftigungsbeginn als auch der vorherige Abschluss des Arbeitsvertrages in Betracht. Die Eingliederungsleistung ist dazu bestimmt, Minderleistungen während der Beschäftigung ganz oder teilweise auszugleichen. Dieser Gesichtspunkt wirkt sich erst ab dem Beginn der Beschäftigung aus, sodass – wie auch bei anderen Sachverhalten, für die der Beginn einer Beschäftigung entscheidendes Merkmal ist – davon ausgegangen werden kann, dass der Beschäftigungsbeginn das die Leistung begründende Ereignis ist (vgl. auch BSG, Urteil v. 6.4.2006, B 7a AL 20/05 R, SozR 4 – 4300 § 324 Nr. 2). Bei der Zuständigkeit (§ 327) stellt der Gesetzgeber nicht auf das leistungsbegründende Ereignis, sondern auf den Eintritt der leistungsbegründenden Tatbestände ab.
Rz. 4b
Rechtliches Ergebnis des Abs. 1 Satz 1 ist, dass ein fehlender Antrag bei Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses zur Folge hat, dass die Leistung der Arbeitsförderung überhaupt nicht erbracht werden darf. Die nachfolgenden Regelungen lassen hiervon Abweichungen zu.
Rz. 5
Abs. 1 Satz 2 trägt dem Umstand Rechnung, dass Sinn und Zweck einer Leistung nicht allein von einer frühzeitigen Antragstellung abhängig sind. Die Möglichkeit, eine verspätete Antragstellung zuzulassen, wenn dadurch eine unbillige Härte vermieden werden kann, ist weit auszulegen. Die unbillige Härte ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Nicht jeder wirtschaftliche Nachteil für den an sich Leistungsberechtigten stellt eine Härte für ihn dar. Verschärfend fordert Abs. 1 Satz 2, dass auch eine Härte nicht ausreicht, sondern diese zusätzlich als unbillig angesehen werden muss. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des BSG jedenfalls gegeben, wenn es die Agentur für Arbeit versäumt hat, den Arbeitnehmer in geeigneter Weise auf die notwendige Antragstellung aufmerksam zu machen, obwohl dies nahe gelegen hätte, z. B. anlässlich einer Erörterung einer aktiven Maßnahme zur Arbeitsförderung, die der Arbeitnehmer absolvieren sollte, wobei die Erbringung der Leistung die vorherige Antragstellung grundsätzlich voraussetzt.
Rz. 6
Gleichwohl kann eine unbillige Härte unter verschiedenen Blickwinkeln vorliegen. Die wirtschaftliche Betrachtung steht dabei zunächst im Vordergrund. Erhebliche finanzielle Nachteile, z. B. als Folge vertraglicher Verpflichtungen, können angesichts der finanziellen Verhältnisse der meisten Arbeitslosen eine unbillige Härte darstellen. Der Ausnahmetatbestand kann aber auch durch immaterielle Verluste erfüllt werden, etwa durch Aufrechterhaltung berufsfachlicher oder sonstiger Qualifikationsdefizite, wenn eine Maßnahme ohne Förderung abgebrochen würde. Im Zusammenhang mit Leistungen der aktiven Arbeitsförderung ist zusätzlich zu beachten, dass diese von Amts wegen erbracht werden können (§ 323 Abs. 1). Über das Vorliegen einer unbilligen Härte trifft die Agentur für Arbeit eine Ermessensentscheidung. Dabei wird jedenfalls zu beachten sein, dass eine...