Rz. 2
§ 8 gehört zu den Vorschriften des 1. Kapitels mit Programmcharakter. Sie entspricht einem gesellschaftlichen Umdenken. Aus diesem Grund war der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bis zum 31.12.2008 eine eigenständige Vorschrift (§ 8a) gewidmet. Nach dem Willen des Gesetzgebers war dadurch einer möglichen Verfestigung des tradierten Rollenverständnisses von Familienarbeit als Aufgabe der Frau entgegenzuwirken. Die Regelung ergänzt die Aspekte der Frauenförderung in § 1, die im früheren § 8 enthalten waren. Insoweit ist sie im Kontext des Gender Mainstreaming zu sehen und zu verstehen. Damit misst der Gesetzgeber dem gesamten Problemkreis geschlechts- und rollenspezifischer Nachteile einschl. der Rückkehr in den Beruf (Abs. 2) eine größere Bedeutung zu als vor 2009. Entsprechend dem modernen Verständnis der Aufteilung der Rollen in Familie und Beruf ist die Vorschrift insgesamt nicht geschlechtsspezifisch ausgerichtet und seit dem 1.4.2012 entsprechend geschlechtsneutral ausformuliert. Die Rechtssystematik verdeutlicht nunmehr, dass Frauenförderung im Arbeitsförderungsrecht ein eigenständiges gleichstellungspolitisches Ziel darstellt. Der von den Agenturen für Arbeit eingeforderte Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterscheidet sich hiervon.
Rz. 3
Die Vorschrift verdeutlicht die Aufgabe der Arbeitsverwaltung, bei der Erbringung von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung darauf zu achten, dass diese auch Menschen zur Integration in das Erwerbsleben verhelfen, die früher pflegebedürftige Angehörige betreut oder aufsichtsbedürftige Kinder erzogen haben oder dies aktuell tun. Für die Umsetzung der Vorschrift durch die Agenturen für Arbeit kommt es weniger auf das materielle Recht als auf den Geist der Regelungen an.
Rz. 4
Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedeutet zweierlei: Die Ausübung einer Beschäftigung neben der Kindererziehung bzw. Pflege oder die Rückkehr ins Berufsleben nach einer solchen Zeit. Berufsrückkehr bedeutet nicht zwingend vollständige Abkehr von Pflege oder Erziehung. Das kann der Fall sein, wenn die zu pflegende oder zu erziehende Person der Pflege bzw. Erziehung nicht mehr bedarf. Unter Familie ist die Gemeinschaft von Eltern und Kindern zu verstehen. Die Vorschrift gilt in gleicher Weise auch für kinderlose Ehepaare, bei denen die Pflege mit dem Beruf zu vereinbaren ist. Die Vorschrift ist weit auszulegen. Sie ist auch auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften und sinngemäß auch auf eheähnliche Gemeinschaften und Partnerschaften anzuwenden. Bei Familien kommt es auch nicht darauf an, welchen Status die Kinder haben, es sich also z. B. um leibliche Kinder, Stief-, Adoptiv- oder Pflegekinder handelt.
Rz. 5
Unter Beruf ist die gewünschte berufliche Tätigkeit zu verstehen, auf die die Vermittlungsbemühungen unter Mithilfe der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen auszurichten sind. Gemeint ist eigentlich die ersehnte Erwerbstätigkeit. Dieser Begriff wird lediglich nicht verwendet, weil angesichts der Arbeitslosenversicherung die Vermittlungsbemühungen in erster Linie, wenn auch aufgrund des § 36 Abs. 4 nicht nur auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen auszurichten sind.
Rz. 6
Abs. 2 führt Berufsrückkehrende als besondere Personengruppe in das SGB III ein. Bis zum 31.12.2008 waren die Regelungen einer eigenständigen Vorschrift (§ 8b) vorbehalten. Diese war im ursprünglichen Gesetzentwurf des SGB III nicht enthalten, sondern ist erst bei den Beratungen des damaligen Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit konzipiert worden. Wie Abs. 1 hat die Einfügung der Regelung als Abs. 2 keine Minderung der Bedeutung zur Folge.
Rz. 7
Die Änderung der Begrifflichkeit von Berufsrückkehrer in Berufsrückkehrende ist ohne Bedeutung. Berufsrückkehrende sollen insbesondere durch Beratung und Vermittlung sowie Übernahme der Kosten für berufliche Weiterbildung gefördert werden. Die Vorschrift fordert ausdrücklich das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen zum Bezug von Leistungen und deren Begrenzung auf das notwendige Maß zur Rückkehr in die Erwerbstätigkeit.