0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Mit Inkrafttreten des Artikels 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) wird der bisherige § 89 mit Wirkung zum 1.1.2018 zu § 172. Er entspricht dem bisherigen § 89 mit Anpassungen der Verweisungen infolge der Verschiebung der Paragraphen im Schwerbehindertenrecht in Teil 3.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift regelt abschließend die Sachverhalte, in denen das Ermessen der Integrationsämter bei der Entscheidung über die Zustimmung zu einer Kündigung eingeschränkt ist.
2 Rechtspraxis
Rz. 2
Über einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung entscheidet das Integrationsamt grundsätzlich in Ausübung seines Ermessens in Abschätzung der Interessen des Arbeitgebers und des schwerbehinderten Menschen, in den Fällen der ordentlichen Kündigung grundsätzlich, in den Fällen der außerordentlichen Kündigung mit einem bis auf null reduzierten Ermessen, wenn die außerordentliche Kündigung aus einem Grunde ausgesprochen wird, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht.
2.1 Einschränkung des Ermessens
Rz. 3
Abs. 1 bestimmt Sachverhalte, in denen den Integrationsämtern ein Ermessen nicht an die Hand gegeben ist (Satz 1) oder das Ermessen ebenfalls bis auf null eingeschränkt ist, also eine Ermessensentscheidung nur in besonderen atypischen Fällen möglich ist.
Rz. 4
Das Integrationsamt hat der Kündigung zuzustimmen, wenn der Betrieb oder – bei öffentlichen Arbeitgebern – die Dienststelle nicht nur vorübergehend eingestellt oder aufgelöst wird. Für die Frage, ob es sich um eine Betriebseinstellung handelt, sind die Grundsätze des § 111 Betriebsverfassungsgesetz heranzuziehen.
Eine Betriebseinstellung, die das Integrationsamt zur Zustimmung zur Kündigung verpflichten würde, liegt nicht vor, wenn der Betrieb von einem Erwerber übernommen und fortgeführt wird (§ 613a BGB).
Eine Dienststelle im öffentlichen Dienst wird dann aufgelöst, wenn eine bis dahin selbständige Dienststelle mit einer anderen zusammengelegt wird.
Rz. 5
Eine Zustimmung zur Kündigung hat das Integrationsamt nur dann zu erteilen, wenn ab dem Tag der Kündigung noch für wenigstens drei Monate weiter Lohn oder Gehalt gezahlt wird. Die Formulierung stellt darauf ab, dass es nicht ausreicht, dass der Arbeitnehmer hierauf lediglich einen Anspruch haben muss, sondern dass Lohn und Gehalt auch tatsächlich gezahlt werden.
Rz. 6
Unter den "gleichen Bedingungen", also ebenfalls unter der Voraussetzung, dass ab dem Tag der Kündigung noch für wenigstens drei Monate weiter Lohn oder Gehalt gezahlt wird, soll die Zustimmung bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen erteilen, die nicht nur vorübergehend wesentlich eingeschränkt werden, dies jedoch nur dann, wenn die Gesamtzahl der weiterhin beschäftigten schwerbehinderten Menschen zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 154 ausreicht.
2.1.1 Bedingung/Auflage
Rz. 7
Um sicherzustellen, dass die gesetzliche Voraussetzung auch erfüllt wird, wird das Integrationsamt einen zustimmenden Bescheid mit einer Nebenbestimmung i. S. des § 32 SGB X versehen. Hierfür kommen eine Bedingung (§ 32 Abs. 2 Nr. 2) oder eine Auflage (§ 32 Abs. 2 Nr. 4) in Betracht.
Rz. 8
Mit einer Auflage wird dem Adressaten des Verwaltungsaktes ein Tun (hier nicht von Bedeutung, aber auch Dulden oder Unterlassen) als eigenständige Verpflichtung auferlegt, dessen Nichterfüllung mit Verwaltungszwang durchgesetzt werden kann oder den Widerruf des Verwaltungsaktes ermöglicht. Der Verwaltungsakt selbst wird jedoch in seinem Bestand nicht von der Erfüllung der Auflage berührt. Da der Widerruf im Übrigen nur mit Wirkung für die Zukunft ausgesprochen werden kann (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 SGB X – die Voraussetzungen für einen Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit liegen nicht vor, da es sich bei der Zustimmung zur Kündigung nicht um eine Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks handelt), ist es nicht zweckmäßig, einen zustimmenden Bescheid mit einer Auflage zu versehen.
Rz. 9
Damit kommt eine Bedingung in Betracht. Das führt dazu, dass der – zunächst wirksame – Verwaltungsakt bei Nichterfüllung rückwirkend unwirksam wird.
2.1.2 Folgen
Rz. 10
Ist der Arbeitgeber nicht bereit, die in Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 geforderte Bedingung zu erfüllen, bedeutet das nicht, dass das Integrationsamt den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung ablehnen muss. Vielmehr richtet sich in solchen Fällen das Zustimmungsverfahren nach den für ein Zustimmungsverfahren für eine ordentliche Kündigung sonst geltenden Grundsätzen, das Integrationsamt hat unter voller Ermessensausübung über den Antrag zu entscheiden.
Rz. 11
Abs. 1 Satz 3 bestimmt, dass das pflichtgemäße Ermessen der Integrationsämter dann nicht eingeschränkt ist, wenn der schwerbehinderte Mensch – trotz einer Betriebsstillegung oder einer wesentlichen Betriebseinschränkung – von dem bisherigen Arbeitgeber anderweitig weiterbeschäftigt werden kann und der schwerbehinderte Mensch damit einverstanden ist. Zur Wahrung der Interessen des Arbeitgebers besteht die weitere Voraussetzung, dass die Weiterbeschäftigung ...