Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des GmbH-Geschäftsführers wegen grob fahrlässiger Pflichtverletzung bei Auszahlung ungekürzter Netto-Löhne einer sich in Zahlungsschwierigkeiten befindlichen Gesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Geschäftsführer einer GmbH handelt vorsätzlich, wenn er in Kenntnis der für den Vormonat entstandenen, noch nicht abgeführten Lohnsteuern Löhne für den laufenden Monat in vollem Umfang ausbezahlt. Gibt die Liquiditätslage der Gesellschaft zu der Besorgnis Anlass, dass die finanziellen Mittel für die spätere Abführung der einzubehaltenden Lohnsteuer für die vollausbezahlten Löhne am Fälligkeitstage ggfs. nicht ausreichen werden, verstößt der Geschäftsführer Jedenfalls grob fahrlässig gegen seine Verpflichtung zur Kürzung der auszuzahlenden Nettolöhne.

 

Normenkette

AO § 37; UStG § 4 Nr. 12a; AO § 69 S. 1, § 34 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als ehemaliger Geschäftsführer der A GmbH für angemeldete und nicht abgeführte Lohnsteuern (LSt), Lohnkirchensteuern (KiSt) und Solidaritätszuschlag (Solz) sowie Säumniszuschläge (Sz) und Vollstreckungskosten zu Recht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden ist.

Der Kläger ist Handelsfachwirt. Er war neben X Geschäftsführer der A GmbH. Beide Geschäftsführer waren satzungsgemäß mit gleichen Rechten und Pflichten ausgestattet. Die Firma betrieb gewerbliche Arbeitnehmer-Überlassung im Stahlbau.

Die GmbH geriet in Zahlungsschwierigkeiten. Angemeldete Lohnsteuern wurden ab Juli 1999 zunächst verspätet abgeführt (u. a. Lohnsteuer-Beträge für November 1999 am 11. Januar 2000, für Dezember 1999 am 22. Februar 2000, für Januar 2000 am 12. April 2000) und ab dem Lohnzahlungszeitraum Februar 2000 gar nicht mehr an das Finanzamt (FA) entrichtet. Einen Antrag der GmbH auf Ratenzahlung für die Lohnsteuern Februar bis April 2000 vom 22. Mai 2000 lehnte das FA am 29. Mai 2000 ab. Die Vollstreckungsstelle des FA gewährte am 15. Juni 2000 Vollstreckungsaufschub in Form monatlicher Zahlungen in Höhe von 7.500 DM ab 01. Juli 2000. Eine Zahlung ist hierauf seitens der GmbH nicht mehr erfolgt. Der Kläger stellte im Juni 2000 Insolvenzantrag. Das Amtsgericht eröffnete das Insolvenzverfahren im August 2000.

Nach schriftlicher Anhörung zur Geschäftsführerhaftung erließ das FA am 08. Februar 2001 einen Haftungsbescheid gegen den Kläger gem. § 191 Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit §§ 34, 69 AO und nahm diesen für Lohnsteuern und Lohnnebensteuern für die Monate Februar bis April 2000 - für die Monate Mai bis Juli 2000 wurde nach § 3 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfreies Insolvenzgeld gezahlt - sowie Säumniszuschläge und Vollstrekkungskosten in Höhe von insgesamt 45.745,67 DM in Haftung. Auf den Inhalt des Bescheides wird Bezug genommen.

Das Einspruchsverfahren blieb für den Kläger dem Grunde nach erfolglos. Auf den Inhalt der Einspruchsbegründungsschreiben des Kläger vom 12. Februar und 12. März 2001 - einschließlich der vom Kläger erstellten Umsatzentwicklung mit der B AG, wonach im Mai und Juni 2000 anstelle der vereinbarten Zahlungen von jeweils 74.250,-- DM nur 27.654 DM (Mai) und 41.896,45 DM (Juni) an die GmbH geflossen sind - und der Einspruchsentscheidung vom 05. April 2001 wird ebenfalls Bezug genommen.

Aufgrund von Verrechnungen reduzierte das FA die Höhe der Haftungsschuld in der Einspruchsentscheidung auf 43.144,92 DM.

Gegen den Haftungsbescheid vom 8. Februar 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidunvom 5. April 2001 richtet sich die Klage vom 7. Mai 2001, mit der der Kläger die Aufhebung der Verwaltungsentscheidungen durchsetzen will.

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor:

Hauptauftraggeber der A GmbH sei die B AG gewesen, die mit Bestellung vom 15. Dezember 1999 zwei Stahlbauer, acht Schweißer und einen Schleifer für das Jahr 2000 angefordert habe. Aufgrund des Gesamtumfangs des Auftrages in Höhe von 891.000 DM habe er mit monatlichen Eingängen allein aus diesem Auftrag in Höhe von 74.250 DM netto rechnen können. Tatsächlich seien aber die Arbeitnehmer nicht in entsprechendem Umfang abgefordert worden. Es habe jedoch nur ein geringerer Einsatz stattgefunden, so dass auch nur entsprechend geringe Zahlungen eingegangen seien. Auf die Aufstellung für die Monate Januar bis einschließlich Juni 2000 wird Bezug genommen.

Trotz Vorhaltungen gegenüber der Geschäftsleitung der B AG sei er von Woche zu Woche und über Monate vertröstet und hingehalten worden mit dem Versprechen, es würden umgehend vorgehaltene Arbeitnehmer der A GmbH abgefordert werden und er, der Kläger, möge diese für einen kurzfristigen Einsatz bereithalten. Darüber hinaus habe er auch zahllose Mahnungen an die Hauptschuldner gerichtet, die darauf aber nicht reagiert hätten. Trotz der Zahlungsschwierigkeiten seien er und der weitere Geschäftsführer X zu der Auffassung gelangt, dass es im Interesse des Überlebens der GmbH notwendig sei, den Arbeitnehmern den vollen Lohn auszuzahlen. Außerdem habe eine Zahlungsverpflichtung für das sog. Wartegeld aufgr...

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