Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen der Wiederholung der mündlichen Prüfung des Steuerberaterexamens
Leitsatz (redaktionell)
Der Prüfling muss, wenn er Kenntnis davon hat, krankheitsbedingt prüfungsunfähig zu sein, diesen Umstand vor der Prüfung geltend machen (Rücktritt). Nimmt der Prüfling dennoch an der Prüfung teil, besteht kein Anspruch auf Nachholung bzw. Wiederholung der Prüfung.
Ein die Wiederholung rechtfertigender Verstoß gegen das Fairness- und Sachlichkeitsgebot beinhaltet auch die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Prüfungsvorsitzenden.
Normenkette
DVStB § 30 Abs. 1-2; StBerG § 164a; AO § 84
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die der Klägerin am 24. Januar 2005 mündlich bekannt gegebene Entscheidung über das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung 2004 aufzuheben ist.
Nachdem die Klägerin bereits zweimal erfolglos am Steuerberaterexamen teilgenommen hatte, meldete sie sich zum Steuerberaterexamen 2004 an. Mit Schreiben vom 1. Juli 2004 ließ der Beklagte sie zur Prüfung zu. Die Klägerin fertigte daraufhin zunächst am 5., 6. und 7. Oktober 2004 die schriftlichen Aufsichtsarbeiten an. Der 2. Prüfungsausschuss für Steuerberater beim Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein setzte für diese Arbeiten folgende Noten fest:
Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete: |
4,0 |
Ertragsteuern: |
4,0 |
Buchführung und Bilanzwesen: |
4,5 |
Gesamtnote für die schriftliche Prüfung: |
4,16 |
Nach der Zulassung zur mündlichen Prüfung legte die Klägerin diese am 24. Januar 2005 vor dem vorgenannten Prüfungsausschuss ab und erhielt folgende Einzelnoten:
mündlicher Vortrag: |
4,0 |
Prüfungsgebiet des 1. Prüfers (...): |
4,5 |
Prüfungsgebiet des 2. Prüfers (…)(...): |
5,0 |
Prüfungsgebiet des 3. Prüfers (...): |
5,0 |
Prüfungsgebiet des 4. Prüfers (…)(...): |
5,0 |
Prüfungsgebiet des 5. Prüfers (…)(...): |
5,0 |
Prüfungsgebiet des 6. Prüfers (…): |
5,0 |
Gesamtnote mündlich: |
4,78 |
Gesamtnote schriftlich und mündlich: |
4,47 |
Der Ausschuss teilte der Klägerin daraufhin mit, dass sie die Prüfung nicht bestanden habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Klage, zu deren Begründung die Klägerin Folgendes vorträgt:
Ausweislich des beigefügten Attestes der ... sowie der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei sie am 24. Januar 2005 gesundheitlich nicht in der Lage gewesen, an der mündlichen Prüfung teilzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt habe sie einen Bauchtumor gehabt, der Schmerzen verursacht habe und operativ (in einer fast dreistündigen Operation) am 4. Februar 2005 entfernt worden sei. Der Befund sei ihr am 21. Dezember 2004 nach einer Ultraschalluntersuchung beim Hausarzt eröffnet worden. Ob es sich dabei allerdings um eine gutartige Geschwulst oder eine bösartige Krebserkrankung handeln würde, habe ihr kein Mensch sagen können, da das regelmäßig erst auf Grund einer Gewebeprobe, die bei der Operation entnommen werde, festgestellt werden könne. Diese Situation sei - für sich genommen - körperlich und psychisch kaum auszuhalten gewesen. Angesichts der relativen Tödlichkeit einer bösartigen Erkrankung, des Krebs-Leidens und -Leides, würden sämtliche Lebensvorstellungen in sich zusammenfallen - wo doch eigentlich nach oder besser mit der Prüfung ein neuer Lebensabschnitt beginnen sollte. Dies habe für sie umso mehr gegolten, als sie in der unmittelbaren Vorbereitungszeit ihrer Prüfung tagtäglich vor Augen gehabt habe, was vielleicht auch auf sie zukommen würde, ganz abgesehen von der Sorge um den nahen Angehörigen: Ihre Mutter habe inoperabel Krebs in weit fortgeschrittenem Stadium, sei auf Grund dieser Erkrankung (bei normaler Größe) auf 40 kg abgemagert gewesen und habe sich in diesem Zustand im Januar 2005 den Strapazen täglicher Strahlen- und Chemotherapie unterzogen. Auf Grund dieser unerträglichen körperlichen und psychischen Belastungen habe sie sich in der mündlichen Prüfung in einem ganz schlechten gesundheitlichen Zustand befunden und habe sich auf das Prüfungsgeschehen nicht konzentrieren können. Geübte Prüfer hätten diese für sie prekäre Situation aber erkennen müssen. Sie habe sich während der Prüfung verzweifelt gefragt, warum ihr keiner helfe und vorschlage, die Prüfung abzubrechen. Es habe doch jeder sehen müssen, wie es ihr gegangen sei. Es könne ihr nicht negativ angelastet werden, die Prüfungskommission vor der Prüfung nicht über ihre Krankheit unterrichtet zu haben. Die Vorstellung, man würde mit der Kommission zunächst ein wenig über seine höchstpersönliche Krankheitsgeschichte plaudern, bevor man zu seinem Sachvortrag übergehe, halte sie für absurd. Der Geschehensablauf sei folgender gewesen: Nach Betreten des Prüfungsraumes sei sie von dem Prüfungsvorsitzenden zunächst begrüßt und dann gefragt worden, ob sie lieber am Pult oder im Sitzen ihren Vortrag halten möchte. Sie habe sich nach kurzem Zögern für das Stehpult entschieden. Dann sei sie durch ein kurzes "Bitte!" des Vorsitzenden aufgefordert worden, mit dem Vortrag zu begi...