Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr bei Entscheidung durch Gerichtsbescheid
Leitsatz (amtlich)
Die Termingebühr nach Nr. 3104 VV-RVG iVm Teil 3 Vorb. 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 kann durch ein Telefonat ausgelöst werden, setzt aber die grundsätzliche Bereitschaft der Gegenseite zu einer einvernehmlichen Beendigung des jeweiligen konkreten Verfahrens voraus.
Orientierungssatz
Der Umstand, dass durch Gerichtsbescheid entscheiden wurde, ist gebührenrechtlich nicht automatisch zu berücksichtigen. Für Terminsgebühren (ohne Durchführung eines Termins) enthält Nr 3106 S 2 RVG-VV eine gesetzliche Wertung, nach der der Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts in Fällen der Durchführung der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung ohne sie durch Gerichtsbescheid oder Annahme eines Anerkenntnisses als gleich fingiert wird. Der Gesetzgeber bemisst also im Rahmen dieser Gebührenstelle dem tatsächlich unterschiedlichen Arbeitsaufwand beim Gerichtsbescheid keine Bedeutung bei und stellt diesen gleich (vgl ua LSG Erfurt vom 5.12.2013 - L 6 SF 792/13 B).
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 11. Februar 2015 geändert.
Die von der Staatskasse zu erstattenden Kosten werden auf 867,51 EUR festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der anwaltlichen Vergütung. Der Beschwerdeführer war dem Kläger in dem vor dem Sozialgericht Itzehoe geführten Klageverfahren S 2 AS 1092/10 im Wege der Prozesskostenhilfe als Prozessbevollmächtigter beigeordnet worden. In diesem Verfahren ging es um die Höhe der Kosten der Unterkunft nach dem SGB II. In weiteren Streitverfahren über die Kosten der Unterkunft war dem Kläger ebenfalls Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Diese insgesamt drei Verfahren wurden danach mit dem Verfahren S 2 AS 1092/10 verbunden; die Entscheidung erfolgte durch den Gerichtsbescheid vom 19. März 2013.
In seiner Kostenrechnung vom 9. April 2013 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung von insgesamt 1.170,96 EUR, und zwar
|
I. S 2 AS 1092/10 |
|
|
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG |
|
170,00 EUR |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG |
|
200,00 EUR |
Postpauschale Nr. 7002 VV-RVG |
|
20,00 EUR |
Kopierkosten Nr. 7000 Ziff. 1 VV-RVG |
|
24,00 EUR |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG |
|
78,66 EUR |
Zwischenbetrag I. |
|
492,66 EUR |
|
|
|
II. S 2 AS 1372/10 |
|
|
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG |
|
170,00 EUR |
Postpauschale Nr. 7002 VV-RVG |
|
20,00 EUR |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG |
|
36,10 EUR |
Zwischenbetrag II. |
|
226,10 EUR |
|
|
|
III. S 2 AS 1432/10 |
|
|
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG |
|
170,00 EUR |
Postpauschale Nr. 7002 VV-RVG |
|
20,00 EUR |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG |
|
36,10 EUR |
Zwischenbetrag III. |
|
226,10 EUR |
|
|
|
IV. S 2 AS 1442/10 |
|
|
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG |
|
170,00 EUR |
Postpauschale Nr. 7002 VV-RVG |
|
20,00 EUR |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG |
|
36,10 EUR |
Zwischenbetrag IV. |
|
226,10 EUR |
|
|
|
Endbetrag |
|
1.170,96 EUR |
Zur Begründung wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass in jedem Verfahren eine Verfahrensgebühr angefallen sei. Vor der Verbindung habe das Sozialgericht die Prozesskostenhilfe in jedem Verfahren bewilligt. Hinsichtlich der Terminsgebühr sei davon auszugehen, dass in Anbetracht des umfangreichen Streitstoffs eine mündliche Verhandlung zwanglos 50 Minuten und damit den Umfang einer Mittelgebühr erreicht hätte.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle reduzierte mit Festsetzungsbeschluss vom 8. Mai 2013 den beantragten Betrag auf
|
S 2 AS 1092/10 |
|
|
Gebühr gemäß Nr. 3103 VV-RVG |
|
170,00 EUR |
Gebühr gemäß Nr. 3106 VV-RVG |
|
100,00 EUR |
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG |
|
20,00 EUR |
Schreibauslagen gemäß § 7000 VV-RVG |
|
24,00 EUR |
19 % Mehrwertsteuer |
|
59,66 EUR |
Zwischensumme I |
|
373,66 EUR |
|
|
|
S 2 AS 1372/10 |
|
|
antragsgemäß Zwischensumme II |
|
226,10 EUR |
|
|
|
S 2 AS 1432/10 |
|
|
Gebühr gemäß Nr. 3103 VV-RVG |
|
85,00 EUR |
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG |
|
17,00 EUR |
19 % Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG |
|
19,38 EUR |
Zwischensumme III |
|
121,38 EUR |
|
|
|
S 2 AS 1442/10 |
|
|
antragsgemäß Zwischensumme IV |
|
226,10 EUR |
|
|
|
Gesamtbetrag |
|
947,24 EUR |
Zur Begründung führte sie aus:
Bei der Terminsgebühr dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Verfahren durch Gerichtsbescheid beendet worden sei und damit zu einer erheblichen Reduzierung des Aufwandes des Beschwerdeführers geführt habe. Das führe hier zum Ansatz der Hälfte der Mittelgebühr. Hinsichtlich der Kürzung der Verfahrensgebühr im Verfahren S 2 AS 1432/10 sei darauf hinzuweisen, dass lediglich die Kosten der Unterkunft für einen Monat strittig gewesen seien.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Erinnerung des Beschwerdeführers vom 13. Mai 2013. Hinsichtlich der Kürzung der Terminsgebühr hat er darauf hingewiesen, dass in einem fiktiven Termin der Streitstoff aus vier Verfahren zu klären gewesen wäre. Zudem handele es sich bei den Kosten der Unterkunft um ein streitintensives Thema, das zwanglos eine Verhandlungsdauer von 50 Minuten erreicht hä...