Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr, Einigungsgebühr und Erledigungsgebühr bei Annahme eines Teilanerkenntnisses und Klagerücknahme im Übrigen
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem angenommenen Teilanerkenntnis entsteht keine fiktive Terminsgebühr nach Nr 3106 VV RVG.
2. Die Bestimmung der Nr 3104 Abs 1 Nr 1 Alt 3 VV RVG findet auf einen Vergleich in einem Verfahren, in dem Betragsrahmengebühren vorgesehen sind, keine analoge Anwendung.
3. Für einen solchen Vergleich kann die Tätigkeit des Anwalts nur nach Nr 1006 VV RVG entschädigt werden.
Orientierungssatz
Die bloße Abgabe von Prozesserklärungen (hier: Erledigungserklärung, die als Annahme eines Teilanerkenntnisses und als Klagerücknahme im Übrigen zu werten ist) ist regelmäßig nicht ausreichend für den Anfall einer Erledigungsgebühr.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 13. Januar 2014 geändert.
Die von der Staatskasse zu erstattenden Kosten werden auf 321,30 EUR festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der anwaltlichen Vergütung. Der Beschwerdegegner war dem Kläger in dem vor dem Sozialgericht Lübeck geführten Klageverfahren S 19 AS 1299/09 im Wege der Prozesskostenhilfe als Prozessbevollmächtigter mit Beschluss vom 3. Juni 2010 beigeordnet.
In diesem Verfahren hatte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Übernahme der Kabelnutzungsgebühren und weiterer 3,80 EUR Kaltwasserkosten für die Monate November und Dezember 2008 als Unterkunftskosten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch begehrt. Nachdem die Beklagte die Kosten für Kabelfernsehen bei ihrer Leistungsberechnung in den Bescheiden vom 22. Januar 2010, 5. März 2010 und 20. April 2010 berücksichtigt hatte, hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
In seiner Kostenrechnung vom 15. Oktober 2012 beantragte der Beschwerdegegner die Festsetzung von 559,30 EUR:
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Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG |
250,00 EUR |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG |
200,00 EUR |
Post- und Telekommunikationspauschale |
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Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
89,30 EUR |
Gesamtsumme |
559,30 EUR |
Mit Festsetzungsbeschluss vom 21. November 2012 reduzierte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle diesen Betrag um die Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG auf 321,30 EUR. Zur Begründung führte sie aus: Der Rechtsstreit sei durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beteiligten vom 20. April 2010 (Beklagte) und 28. April 2010 (Kläger) beendet worden. Das gehe auch aus der Begründung der Kostengrundentscheidung vom 10. Oktober 2011 hervor. Die Voraussetzungen für die Entstehung einer fiktiven Terminsgebühr seien somit nicht erfüllt. Diese entstünde, wenn - wie hier - im Verfahren keine mündliche Verhandlung, an der der Rechtsanwalt teilgenommen habe, stattgefunden habe, nur dann, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, im Einvernehmen mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werde, nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werde oder das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung ende.
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdegegner am 28. November 2012 Erinnerung eingelegt. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe die Klageforderung anerkannt, indem sie die geltend gemachten Beträge durch Erlass mehrerer Änderungsbescheide vollständig erfüllt habe. Die Erledigungserklärung stünde faktisch einem Anerkenntnis gleich.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 13. Januar 2014 den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21. November abgeändert und die anwaltliche Vergütung auf 559,30 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es sei eine Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG festzusetzen. Die Änderungs- und Bewilligungsentscheidungen der Beklagten, mit denen entsprechend dem Begehren des Klägers höhere Leistungen bewilligt worden seien, stellten ein Anerkenntnis bzw. mehrere Teilanerkenntnisse im Sinne von § 101 Abs. 2 SGG dar. Ein Anerkenntnis sei das im Wege einseitiger Erklärung gegebene uneingeschränkte Zugeständnis, dass der mit der Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch bestehe, wenn also die Beklagte “ohne Drehen und Wenden„ zugebe, dass sich das Begehren des Klägers aus dem von ihm behaupteten Tatbestand ergebe. Soweit der geltend gemachte Anspruch teilbar sei, sei auch ein Teilanerkenntnis möglich. Die Erklärung müsse aber stets gekennzeichnet sein durch den unbedingten Bindungswillen des Anerkennenden, und zwar auch für den Fall, dass das Anerkenntnis nicht angenommen werde. Erforderlich sei, dass sich ein darauf gerichteter Wille hinreichend deutlich aus dem gesamten Inhalt der Äußerung und aus dem Zusammenhang, in dem sie stehe, ergebe. Entsprechendes gelte für die erforderliche Annahme des Anerkenntnisses durch den Kläger. Indem die Beklagte durch ihre Änderungsbescheide höhere Le...