Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Begriff des "schriftlichen Vergleichs" iS von Nr 3106 S 2 Nr 1 Alt 2 RVG-VV. keine fiktive Terminsgebühr bei Annahme eines Vergleichsvorschlags bzw eines Teilanerkenntnisses und Erledigungserklärung im Übrigen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein schriftlicher Vergleich im Sinne der Ziffer 3106 S 2 Nr 1, Alt 2 VV RVG ist nur ein gerichtlicher Vergleich nach § 202 SGG in Verbindung mit § 278 Abs 6 Zivilprozessordnung (ZPO) und ab dem 25.10.2013 nach § 101 Abs 1 S 2 SGG.

2. Für die Annahme eines Teilanerkenntnisses mit nachfolgender Erledigungserklärung fällt keine fiktive Terminsgebühr nach Ziffer 3106 S 2 Nr 3 VV RVG an.

 

Tenor

Die Beschwerde des Erinnerungsführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 21. August 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem Erinnerungsführer zustehenden Prozesskostenhilfe-Vergütung und dabei insbesondere darum, ob eine Terminsgebühr nach Ziffer 3106 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) entstanden ist.

Der Erinnerungsführer wurde mit Beschluss des Sozialgerichts (SG) Hannover vom 23. April 2014 in dem Verfahren S 49 AS 452/14 dem dortigen Kläger als Rechtsanwalt beigeordnet. In diesem Rechtsstreit stritten die dortigen Beteiligten um die Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 4 Satz 1 Zweites Buches Sozialgesetzbuch sowie um die darlehensweise Bewilligung einer Mietkaution. Der Beklagte erklärte sich schließlich mit Schriftsatz vom 25. März 2014 bereit, die Kaltmiete in der tatsächlichen Höhe von 271,70 EUR anzuerkennen sowie die Mietkaution auf Darlehensbasis entsprechend der gesetzlichen Vorschriften zu übernehmen und letztendlich auch die hälftigen Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Klage gerichtet auf Verurteilung zur Abgabe der gewünschten Zusicherung sei dagegen unzulässig, weil der Mietvertrag bereits vor Einlegung des Widerspruchs gegen den die Zusicherung ablehnenden Bescheid geschlossen worden sei. Der Erinnerungsführer teilte daraufhin mit Schriftsatz vom 9. April 2014 für den Kläger mit, dass eine Erledigung des Rechtsstreits gemäß des Angebots des Beklagten vergleichsweise in Betracht komme, sofern zuvor über den Antrag auf Prozesskostenhilfe entschieden werde. Mit weiterem Schriftsatz vom 5. Mai 2014 erklärte der Erinnerungsführer für den Kläger, dass er den "Vergleichsvorschlag des Beklagten aus dem Schriftsatz vom 25.03.2014" annehme und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.

Am 7. Mai 2014 beantragte der Erinnerungsführer beim SG die Festsetzung seiner Vergütung. Er machte dabei eine Verfahrensgebühr nach der Ziffer 3102 VV RVG in Höhe von 300,00 Euro abzüglich einer Anrechnung von 75,00 Euro, eine Terminsgebühr gemäß Ziffer 3106 Satz 2 Nr. 1 VV RVG in Höhe von 270,00 Euro sowie eine Einigungsgebühr nach der Ziffer 1006 RVG in Höhe von 300,00 Euro zuzüglich 20,00 Euro Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Ziffer 7002 VV RVG geltend. Zuzüglich der Umsatzsteuer nach Ziffer 7008 VV RVG in Höhe von 154,85 Euro belief sich der Vergütungsfestsetzungsantrag somit auf 969,85 Euro.

Mit Beschluss vom 19. Mai 2014 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des SG die dem Erinnerungsführer zustehende Prozesskostenhilfevergütung auf 648,55 Euro fest. Er entsprach dabei dem Antrag des Erinnerungsführers hinsichtlich der Verfahrens- und der Einigungsgebühr einschließlich der Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen. Die vom Erinnerungsführer angesetzte Terminsgebühr in Höhe von 270,00 Euro setzte der Urkundsbeamte dagegen nicht an. Die Terminsgebühr sei nicht entstanden, weil hierfür ein förmlicher Beschluss des Vorsitzenden erforderlich gewesen wäre. Durch die Kürzung reduzierte sich im Übrigen die Umsatzsteuer auf 103,55 EUR.

Hiergegen hat der Erinnerungsführer am 3. Juni 2014 Erinnerung eingelegt. Es sei nicht ersichtlich, welcher Beschluss des Vorsitzenden noch erforderlich wäre. Das abgegebene Anerkenntnis sei schließlich angenommen worden. Rein vorsorglich beantrage er eine entsprechende Feststellung durch den Vorsitzenden.

Mit Beschluss vom 21. August 2014 hat das SG Hannover die Erinnerung zurückgewiesen. Die angefochtene Entscheidung des Urkundsbeamten sei rechtmäßig. Im vorliegenden Fall sei keine der Voraussetzungen des Gebührentatbestandes der Terminsgebühr nach Ziffer 3106 VV RVG erfüllt. Die Beteiligten hätten zur Beendigung des Verfahrens übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben. Ein schriftlicher Vergleich im Sinne der Ziffer 3106 Satz 2 Nr. 1, 2. Alt. VV RVG sei dadurch nicht geschlossen worden. Nach der Legaldefinition des § 101 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) setze das Vorliegen eines Vergleiches voraus, dass die Beteiligten zur Niederschrift des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können. Ein gerichtlicher Vergleich k...

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