Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der Beschwerde im PKH-Verfahren. nachträgliche Aufhebung gem § 120 Abs 4 ZPO. Verbraucherinsolvenz. Einsetzung des Einkommens. Wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse
Leitsatz (amtlich)
1. § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG hindert nicht die Beschwerde in PKH-Verfahren, in denen wegen einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse die Höhe der Raten nachträglich geändert wird.
2. Der Eintritt der (Privat-)Insolvenz steht einer Einsetzung des Einkommens nur im Rahmen der Freibeträge des § 115 Abs. 2 ZPO entgegen. Insbesondere steht eine Insolvenz des Klägers der Bestimmung von Raten nicht entgegen, wenn im Insolvenzverfahren kein Abtrag auf die Schuld erfolgt.
Normenkette
SGG § 172 Abs. 3 Nr. 2, § 73a; ZPO § 115 Abs. 1 S. 1, § 120 Abs. 4, § 850c
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 15. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 20. Oktober 2006 ist der Klägerin für die Durchführung des Verfahrens S 17 R 186/05 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt F., L., beigeordnet worden.
Das Verfahren endete am 14. Mai 2007 durch Klagrücknahme.
Im Rahmen einer Überprüfung gemäß § 120 Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO) forderte das Sozialgericht die Klägerin mit Schreiben vom 27. Mai 2010 auf, die wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen. Die Klägerin reichte daraufhin den Erklärungsbogen gemäß § 117 Abs. 2 ZPO mitsamt den erforderlichen Unterlagen ein. Das Sozialgericht errechnete ein über dem Freibetrag liegendes monatliches Einkommen der Klägerin in Höhe von 147,00 EUR. Mit Beschluss vom 15. Juli 2010 änderte es den Beschluss vom 20. Oktober 2006 dahingehend ab, dass die Klägerin auf die verauslagten Rechtsanwaltskosten in Höhe von 397,46 EUR monatliche Raten in Höhe von 45,00 EUR zu zahlen habe.
Gegen die am 23. Juli 2010 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 27. Juli 2010 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben, mit der sie geltend macht, am 22. Juni 2010 sei beim Amtsgericht Schwarzenbek ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden. Hierzu hat sie den Beschluss des Amtsgerichts Schwarzenbek vom 8. April 2011 über die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens sowie die Tabelle über die angemeldeten Forderungen zum Insolvenzverfahren vom 8. Juli 2011 vorgelegt. Die Tabelle weist festgestellte Forderungen in Höhe von 815.073,24 EUR aus. Hierzu hat die Klägerin erklärt, das Insolvenzverfahren sei noch nicht abgeschlossen; auf die Forderungen zahle sie keinen Abtrag.
II
Die fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 15. Juli 2010, mit dem der Beschluss über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe vom 20. Oktober 2006 abgeändert wurde, ist zulässig.
Der mit Wirkung zum 1. April 2008 eingeführte § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) steht der Statthaftigkeit der Beschwerde nicht entgegen. Nach dieser Regelung ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG erfasst nach seinem Wortlaut ausschließlich die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, nicht dagegen die nachträgliche Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 73a SGG i.V.m. § 120 Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO), die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ist auch nicht entsprechend anzuwenden, da weder eine planwidrige Lücke ersichtlich ist, noch ein gleich gelagerter Sachverhalt vorliegt (Beschluss des Senats vom 13. Juli 2011 - L 2 SB 172/11 B PKH; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. Oktober 2011 - L 3 AL 20/11 B PKH; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 7. Februar 2012 - L 6 AS 69/11 B PKH; Bayerisches LSG, Beschluss vom 18. Juli 2011 - L 9 AL 60/10 B PKH). Auch der Entstehungsgeschichte (hierzu BT-Drucksache 16/7716, S. 106) sind keine Hinweise dafür zu entnehmen, dass eine erweiternde Auslegung im vorliegenden Zusammenhang geboten sein könnte (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss 25. Mai 2012 - L 7 AS 752/12 B, m.w.N.; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2012 - L 25 AS 159/12 B PKH).
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend. Gemäß § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann das Gericht innerhalb von vier Jahren seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ändern, wenn sich die für die Bewilligung maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beteiligten nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe wesentlich geändert haben. Eine wesentliche Änderung der wirtsch...