Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliges Rechtsschutzverfahren. Krankenversicherung. Anspruch auf vollständige Fahrkostenerstattung zu Dialysefahrten. nächstgelegene Dialysepraxis
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf vollständige Fahrkostenerstattung zu Dialysefahrten besteht grundsätzlich nur zur nächstgelegen Dialysepraxis, auch wenn dem Versicherten vorher über einen längeren Zeitraum die Fahrkosten zu einer weiter entfernt liegenden Praxis erstattet wurden. Medizinische Gründe, von diesem Grundsatz abzuweichen, sind vom Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutzverfahren glaubhaft zu machen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 18. Mai 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zahlung von Fahrkosten für Dialysefahrten nach K... zum N...
Der 1948 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Antragsteller ist Dialysepatient. Er leidet unter zahlreichen Erkrankungen, insbesondere auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt und er bezieht Leistungen der Pflegestufe I. Seit 2012 ist er erneut wieder dialysepflichtig aufgrund eines chronischen Transplantationsversagens (Leichennierentransplantation im Jahre 1998). Die Dialyse führte er am N... in K... durch. Zuletzt genehmigte die Antragsgegnerin die Fahrkostenerstattung für das Jahr 2016 aufgrund der Verordnung vom 16. November 2015 vom Wohnort D... nach K... zur Dialysepraxis.
Am 21. Oktober 2016 verordnet Dr. W... vom N... wiederum eine Krankenbeförderung mit einer Behandlungsfrequenz von dreimal pro Woche für das Jahr 2017. Mit Bescheid vom 2. Januar 2017 bewilligte die Antragsgegnerin die Übernahme von Fahrkosten zur nächstgelegenen Dialysepraxis bis Na... und zurück / maximal je 23,5 Kilometer. Mehrkosten, die durch größere Entfernungen entstünden, würden nicht übernommen werden. Daraufhin legte der Antragsteller einen Bericht von Dr. W... vom 14. Januar 2017 vor, in dem dieser ausführte, aus den Diagnosen gehe hervor, dass bei dem Antragsteller multiple kardiovaskuläre Komplikationen bestünden, die die engmaschige Mitbetreuung durch die Universitätsklinik K... und das L... in K... erforderlich machten. Während der gesamten mehr als 20 Jahre andauernden Behandlung seien die Fahrkosten nie thematisiert worden. Es sei absolut unzumutbar für den Antragsteller, nach einer so langen Zeit das Dialysezentrum zu wechseln, zumal die fachärztliche Mitbehandlung der oben genannten anderen Disziplinen ohnehin in K... erforderlich sei. Die Antragsgegnerin holte ein sozialmedizinisches Kurzgutachten des MDK ein und teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 14. Februar 2017 mit, dass sie bei ihrer Entscheidung bleibe, da eine gleichwertige medizinische Behandlungsmöglichkeit in Na... bestünde. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch mit der Begründung, klinische Gründe machten die Fortsetzung der Dialyse in K... erforderlich, wie die Bescheinigung des N...s verdeutliche. Außerdem liege bei ihm ein Härtefall vor. Er befinde sich in einem funktionierenden Regime. Es bestünde kein rechtfertigender Grund, in dieses einzugreifen. §§ 45 ff. SGB X stünden einem Wechsel zudem ebenfalls entgegen.
Am 24. März 2017 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Lübeck die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bewilligung von Fahrkosten in das N... K... im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend ausgeführt, § 16 SGB V gestatte explizit Abweichungen von den Richtlinien. Ein solcher Ausnahmefall liege bei ihm vor. Es bestünde auch ein Anordnungsgrund, da er finanziell nicht in der Lage sei, die Fahrkosten zu erbringen. Die Antragsgegnerin hat die Auffassung geäußert, dass zwingende medizinische Gründe für eine Weiterbehandlung in K... am Dialysezentrum nicht vorlägen. Aus wirtschaftlichen Gründen könne sie nur die Kosten für den nächsterreichbaren Behandlungsort übernehmen. Das sei das Dialysezentrum am F... Na... oder in der Dialysepraxis Na... der Fall.
Im Erörterungstermin vom 11. April 2017 hat die Antragsgegnerin sich vergleichsweise verpflichtet, dem Antragsteller ab dem heutigen Tag für ein halbes Jahr noch die Fahrkosten von seinem jetzigen Wohnort zur Dialyse nach K... zu zahlen. Der vorsitzende Richter hat den Antragsteller darauf aufmerksam gemacht, dass die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 SGB V in seinem Fall nicht vorlägen und er sich auf die Behandlung in Na... zwecks Dialysebehandlung verweisen lassen müsse. Von dem ihm eingeräumten Widerrufsrecht hat der Antragsteller anschließend Gebrauch gemacht und auf Anfrage des Sozialgerichts detailliert zu seinen Einnahmen und Ausgaben Stellung genommen. Zur weiteren Begründung hat er auf § 76 SGB V und darauf hingewiesen, dass ...