Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer einseitigen Erledigungserklärung des Rechtstreits als Klagerücknahme
Orientierungssatz
1. Das SGG sieht die einseitige Erledigungserklärung nicht ausdrücklich als Instrument der Erledigung des Rechtstreits vor. In Fällen, in denen ein Verfahrensbeteiligter gemäß § 183 SGG von den Gerichtskosten befreit ist, kann aber eine einseitige Erledigungserklärung durch den Kläger auch ohne ausdrückliche Zustimmung durch den Beklagten als Klagerücknahme ausgelegt werden. Dies erledigt gemäß § 102 Abs. 1 S. 2 SGG den Rechtstreit in der Hauptsache.
2. Eine als Klagerücknahme auszulegende Erledigungserklärung kann als Prozesshandlung nicht widerrufen und nicht wegen Irrtums angefochten werden.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. Juni 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Kläger haben mit am 6. Oktober 2014 bei dem Sozialgericht Schleswig eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben. Das Klageverfahren wurde vor dem Sozialgericht zunächst unter dem Aktenzeichen S 16 AS 488/14 geführt.
Dabei haben sie sich gegen einen Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 2. September 2014 gewandt und die Gewährung eines Darlehens für den Einbau eines Badezimmers in der ersten Etage des von ihnen selbst bewohnten Hauses im Rahmen der von ihnen bezogenen Leistungen zur Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) begehrt.
Parallel dazu haben sie eine Untätigkeitsklage erhoben und ausgeführt, sie warteten seit November 2013 auf eine Antwort.
Das Sozialgericht hat am 9. September 2016 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. In dieser mündlichen Verhandlung haben die Kläger zu Protokoll die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt und wegen des begehrten Darlehens einen Sachantrag gestellt.
Das Sozialgericht hat die auf Gewährung eines Darlehens gerichtete Klage mit Urteil vom 9. September 2016 abgewiesen. Dieses Urteil ist den Klägern am 16. September 2016 zugestellt worden.
Die Kläger haben sich erstmals mit Schreiben vom 9. September 2016 gegen die Behandlung der Untätigkeitsklage als erledigt gewandt und nach Aufklärungsverfügung des Sozialgerichts mit weiteren Schriftsatz vom 1. Oktober 2016 ausgeführt, auch die Untätigkeitsklage habe nicht zurückgenommen werden sollen. Das Sozialgericht hat das Verfahren daraufhin unter dem Aktenzeichen S 16 AS 448/16, später S 4 AS 448/16 fortgeführt.
Am 25. Juni 2020 hat es dieses Verfahren gemeinsam mit weiteren Verfahren der Kläger mündlich verhandelt.
Die Kläger haben beantragt,
das Verfahren S 16 AS 488/14 fortzusetzen.
Der Beklagte hat beantragt,
den Fortsetzungsantrag abzulehnen.
Mit Urteil vom 25 Juni 2020 hat das Sozialgericht den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Verfahren S 16 AS 488/14 sei nicht fortzusetzen, weil die Kläger dieses bezogen auf die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt hätten und es deshalb beendet und nicht fortzusetzen sei. Die Erledigungserklärung sei wirksam und insbesondere durch die Kläger nicht wirksam angefochten oder widerrufen worden. Materielle Anfechtungsgründe seien auch nicht erkennbar.
Gegen dieses ihnen am 29. September 2020 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Kläger vom 8. Oktober 2020.
Zur Begründung tragen sie vor, sie hätten die ernst gemeinte Untätigkeitsklage nicht zurückgenommen. Sie könnten den Imageschaden nicht so stehen lassen und wollten in dem gewählten Beruf arbeiten. Die Untätigkeit sei begründet, denn es seien mehrmals Beweise gegen das Sozialzentrum eingereicht worden. Es werde ständig unentwegt von allen Seiten Macht ausgeübt, um ihnen zu schaden.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. Juni 2020 aufzuheben, das Verfahren S 16 AS 488/14 fortzusetzen und den Beklagten zu verurteilen ihren Antrag vom November 2013 zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Kläger mit Schreiben vom 20. Januar 2021 darauf hingewiesen, dass er die Berufung einstimmig für unbegründet hält und es daher beabsichtigt sei, diese mit Beschluss zurückzuweisen. Die Kläger erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss über die Berufung entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet hält und er die Kläger zuvor dazu angehört hat.
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht mit dem angefochtenen Urteil die Fortsetzung des Rechtsstreits S 16 AS 488/14 abgelehnt.
Der unter dem Aktenzeichen S 16 AS 488/14 geführte Rechtsstreit ist in bzw. aufgrund der mündlichen Verhandlung ...