Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander. Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers bei Einsetzen des Bezuges von Erwerbsminderungsrente bei laufendem Bezug von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt. vorschüssige Zahlung der Hilfe zum Lebensunterhalt. nachschüssige Zahlung der Rentenleistungen. rechtzeitige Erfüllung der Leistungsverpflichtung iS des § 104 Abs 1 S 2 SGB 10
Leitsatz (amtlich)
1. Gewährt der Sozialhilfeträger einem erwerbsminderungsrentenberechtigten Hilfebedürftigen vorschüssig laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kap des SGB XII im ersten Monat des Rentenbezuges, steht ihm ein diesbezüglicher Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger nach § 104 SGB X zu (Anschluss an BSG vom 28.8.1997 - 14/10 RKg 11/96 = BSGE 81, 30 = SozR 3-1300 § 104 Nr 12).
2. Ein solcher Erstattungsanspruch scheitert nicht an der Legaldefinition des Begriffs der Nachrangigkeit in § 104 Abs 1 S 2 SGB X, da auch eine gesetzmäßig nach § 118 Abs 1 SGB VI vorgenommene Rentenzahlung im ersten Monat des Bezuges dieser Leistung erstattungsrechtlich nicht als rechtzeitig angesehen werden kann (entgegen BSG vom 19.3.1992 - 7 RAr 26/91 = BSGE 70, 186 = SozR 3-1200 § 53 Nr 4).
3. § 103 SGB X ist in einem solchen Fall zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht einschlägig, weil es zum einen an einer institutionellen Gleichrangigkeit der Träger und zum anderen an einer ausdrücklichen Wegfallbestimmung hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt infolge des Einsetzens der Rentengewährung fehlt.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. Juli 2021 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 731,38 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 731,38 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten - teilweise - Erstattung der von ihm für September 2011 an eine bei der Beklagten versicherte Rentenberechtigte gezahlte Leistung der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII).
Anfang des Jahres 2011 beantragte die bei der Beklagten rentenversicherte AS (im Folgenden: Versicherte) gegenüber dem Kläger die Gewährung von Sozialhilfe in Form von Hilfe zum Lebensunterhalt - nachdem sie bereits seit 2004 von dem Kläger laufende Leistungen der Eingliederungshilfe in Form von ambulanter Betreuung nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII bezog und zum 1. April 2009 nach R verzogen war (wo sie zunächst von der Hansestadt R als örtlichem Sozialhilfeträger laufende Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten hatte). Der Kläger nahm seine aufgrund der durchgängigen Gewährung ambulanter Betreuungsleistungen fortbestehende örtliche Zuständigkeit für die Versicherte an und gewährte dieser ab dem 1. März 2011 Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in Höhe von 1.045,00 EUR/Monat. Zugleich forderte er die Versicherte auf, bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente zu beantragen. Einen entsprechenden Antrag stellte die Versicherte bei der Beklagten am 21. Februar 2011.
Mit Schreiben vom 7. März 2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er gegenüber der Versicherten Sozialhilfeleistungen erbringe, „machte einen Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. SGB X“ auf zu gewährende Rentenleistungen „geltend“ und bat darum, dass sich die Beklagte vor der Auszahlung etwaiger Rentenleistungen mit ihm - dem Kläger - in Verbindung setzen möge.
Mit Bescheid vom 31. August 2011 bewilligte die Beklagte der Versicherten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit - konkret vom 1. September 2011 bis zum 30. Juni 2014 unter Annahme eines Leistungsfalls am Tag der Rentenantragstellung - in Höhe eines Auszahlungsbetrages von 731,38 EUR/Monat. Der Versicherten wurde die monatliche Rentenleistung erstmals am 30. September 2011 ausgezahlt.
Mit Schreiben vom Tag der Rentenbewilligung (dem 31. August 2011) setzte die Beklagte den Kläger von der Gewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente an die Versicherte ab September 2011 in Kenntnis. Das Schreiben ging bei dem Kläger, welcher der Versicherten bereits am 29. August 2011 die laufende Sozialhilfeleistung für September 2011 ausgezahlt hatte, am 2. September 2011 ein. Am 13. September 2011 fand zwischen Mitarbeiterinnen des Klägers und der Beklagten ein Telefonat statt, in welchem von Seiten der Beklagten erklärt wurde, dass sich die erstmalige Auszahlung der Rentenleistung an die Versicherte für September 2011 „nicht mehr stoppen“ lasse. Der Kläger möge doch die von seiner Seite an die Versicherte gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt für den Monat September 2011 zurückfordern. Mit Schreiben vom selben Tage (dem 13. September 2011) teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er für September 2011 Leistungen nach dem Dritten K...