Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Zugunstenverfahren. neue wesentliche Tatsachen. schlüssige Darlegung. Bestandskraft. Sachentscheidung. sozialgerichtliches Verfahren. Änderung des Streitgegenstandes. Prüfungspflicht des LSG

 

Orientierungssatz

1. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, daß die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich der Verwaltungsträger ebenfalls auf die Bindungswirkung der bereits erlassenen Bescheide berufen. Nur wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, daß ursprünglich nicht beachtete Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, ist ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden.

2. Dadurch, daß das Sozialgericht die Klage nicht nur unter Hinweis auf die Bindungswirkung der früheren Entscheidung die Klage abgewiesen hat, sondern zusätzlich einen medizinischen Sachverständigen angehört hat, wird der Streitgegenstand nicht verändert und die Prüfungspflicht des LSG nicht erweitert.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte unter Rücknahme von bestandskräftig gewordenen Bescheiden dem Kläger Entschädigungsleistungen wegen einer Berufskrankheit nach der Nr. 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) zu gewähren hat.

Der 1933 geborene Kläger hat in der Zeit von Oktober 1950 bis September 1953 eine Ausbildung zum Gärtner durchlaufen und war im Anschluß daran bis 1958 in diesem Beruf beschäftigt. Von 1959 bis 1978 war der Kläger als Friedhofsgärtner bei der ev.-luth. Kirche in E tätig. Von 1974 bis 1976 war der Kläger arbeitsunfähig krank und nahm von 1976 bis 1977 an einer Umschulung zum Bürokaufmann teil, die er erfolgreich abschloß. Seitdem ist der Kläger mit kurzen Unterbrechungen in den Jahren 1980/81 und in der Zeit vom 1. Januar 1983 bis zum 30. Oktober 1984 arbeitslos. Seit September 1990 bezieht der Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die inzwischen in eine Altersrente umgewandelt ist.

Am 13. Dezember 1984 stellte der Kläger erstmals einen Antrag auf Anerkennung seiner Kniegelenksbeschwerden als Berufskrankheit nach § 551 Reichsversicherungsordnung (RVO). Mit Bescheid vom 14. Mai 1986 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 1986 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen dieser Beschwerden ab. Die dagegen beim Sozialgericht Lübeck erhobenen Klage -- S 1 U 52/87 -- nahm der Kläger nach Anhörung des Arztes für Chirurgie Dr. W in der mündlichen Verhandlung am 21. April 1988 zurück.

Mit Schreiben vom 5. Oktober 1988 beantragte der Kläger unter Bezugnahme auf § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) eine Überprüfung der ablehnenden Entscheidung und verwies auf die seit dem 1. April 1988 geänderte BKVO. Er vertrat die Auffassung, daß bei ihm eine Berufskrankheit nach der Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKVO wegen eines Innenmeniskusschadens vorliege, den er sich während seiner Tätigkeit als Friedhofsgärtner zugezogen habe. Mit Bescheid vom 26. Juli 1991 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1992 lehnte die Beklagte auf Grund der durchgeführten Sachverhaltsermittlungen Entschädigungsleistungen wegen einer Berufskrankheit nach der Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKVO ab. Die hiergegen beim Sozialgericht Lübeck erhobene Klage -- S 5 U 14/92 -- nahm der Kläger in dem Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 25. Januar 1993 zurück, nachdem der Arzt für Orthopädie Prof. Dr. von S-S in seinem Gutachten ausgeführt hatte, daß typische Meniskuszeichen beim Kläger nicht festzustellen seien. Ein Zusammenhang der Verschleißerkrankung beider Kniegelenke bei X-Beinfehlstellung mit der Tätigkeit des Klägers als Friedhofsgärtner liege keinesfalls vor. Auch ein weiterer Antrag des Klägers vom 30. August 1993 gemäß § 44 SGB X wurde von der Beklagten -- diesmal ohne Sachprüfung -- durch Bescheid vom 14. September 1993 abgelehnt.

Am 14. Februar 1996 beantragte der Kläger erneut die Überprüfung des Bescheides vom 26. Juli 1991 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1992 gemäß § 44 SGB X. Unter Hinweis auf ein beigefügtes Attest des Arztes für Orthopädie Dr. B vom 7. Dezember 1993 machte der Kläger geltend, er sei wegen einer chronischen Meniskopathie rechts medial mit passageren Einklemmungen und Gonarthrose in Behandlung; die Beklagte sei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Der am 25. Januar 1993 gehörte Sachverständige Prof. Dr. von S-S habe sich geirrt, da beim Kläger berufsbedingte Meniskusschädigungen vorlägen.

Mit Bescheid vom 25. Juli 1996 lehnte die Beklagte die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zur Überprüfung des Bescheides vom 26. Juli 1991 ab, da sich keine Anhaltspunkte dafür ergäben, daß der Bescheid rechtswidrig sei. Die beim Kläger bestehende Meniskuserkrankung sei bei Erteilung des angegriffenen Bescheides bere...

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