Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz

 

Orientierungssatz

1. Versorgung erhält nach § 1 Abs. 1 OEG, wer infolge eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Leistung ist zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen Günden unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren.

2. Nur eine unmittelbare Tatbeteiligung des Geschädigten kommt bei der 1. Alternative als Leistungsausschlussgrund in Betracht. Dabei muss das Verhalten des Opfers wesentlich mitursächlich sein, d. h. in etwa gleichartig mit dem Tatbeitrag des Schädigers.

3. Bei der 2. Alternative der Unbilligkeit führen nur so solche Gründe zu dieser, die dem in der 1. Alternative genannten Tatbeitrag als Grund der Mitverursachung an Bedeutung annähernd gleichkommen.

4. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast hat das beklagte Land die Beweislast für das Vorliegen von Versagungsgründen nach § 2 OEG zu tragen.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Ka. vom 31. Januar 2007 und der Bescheid des beklagten Landes vom 18. September 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2004 aufgehoben.

Das beklagte Land wird verurteilt, bei dem Kläger wegen der Folgen der Gewalttat vom 26. August 1999 folgende Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolge anzuerkennen:

- leichtgradige posttraumatische Hirnleistungsminderung mit Einschränkung der Umstellungs- und Konzentrationsfähigkeit sowie Zeitgitterstörungen,

- vollständiger Verlust des Riechvermögens und Einschränkung des Geschmacksinnes,

- bis zum 30. November 2006:

posttraumatisches cerebrales Anfallsleiden

und dem Kläger für die Zeit vom 1. August 1999 bis zum 30. November 2006 Versorgung nach einem GdS von 60 und für die Zeit seit dem 1. Dezember 2006 Versorgung nach einem GdS von 40 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Das beklagte Land trägt 9/10 der außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Verfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Den späteren Schädiger, Y. K., erreichte gegen Anfang des Jahres 1998 über CB-Funk ein Funkspruch, mit dem er als “Hurensohn„ bezeichnet wurde. Da ihm als Absender des Funkspruchs ein “M. aus der W.„ genannt wurde, nahm er an, dass der 1974 geborene Kläger, den er lediglich vom Sehen kannte, Absender dieses Funkspruchs gewesen sei. Im Februar oder März des Jahres 1998 konnte der Kläger einem Zusammentreffen mit dem späteren Schädiger auf der S.Straße in Ka. ausweichen, indem er an der Wohnungstür eines Bekannten, Kb. A., klingelte, wo er eingelassen wurde. Einige Monate danach kam es zu einem Zusammentreffen des Klägers mit Y. K., als der Kläger als Beifahrer in dem Fahrzeug eines anderen Bekannten, Ma. B., den T.Ring befuhr. Y. K., der mit seiner Schwester unterwegs war, fuhr mit seinem Fahrzeug neben dem Fahrzeug des Ma. B.. Die Schwester des Y. K. machte mit der Hand eine horizontale Bewegung an ihrem Hals und rief dazu “Du bist tot„. Als dann der spätere Schädiger eine Gaspistole aus dem offenen Fahrerfenster seines Fahrzeugs auf den Kläger richtete, nahm dieser seinerseits aus dem Handschuhfach die Gaspistole seines Bekannten, Ma. B., und richtete sie auf Y. K.. Zu einem Schusswechsel kam es nicht.

In der Nacht vom 25. auf den 26. August 1999 kam es zu einem zufälligen Zusammentreffen des Klägers mit dem Y. K. auf dem Gelände der D.-Tankstelle an der G.Straße in Ka.. An dieser Tankstelle hielt sich der Kläger zusammen u. a. mit seinem Bekannten Ma. B. auf. Danach fuhr der spätere Schädiger mit seinem Fahrzeug auf das Gelände der Tankstelle und begab sich zu dem Kläger. Es kam zu einer kurzen verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem späteren Schädiger, bei der es um den Funkspruch aus dem Jahr 1998 ging. Als sich der Kläger vom Schädiger abwandte, schlug Y. K. den Kläger mit der Faust auf die linke Kopfseite. Der Kläger fiel zu Boden und schlug mit dem Hinterkopf auf.

Am 26. Mai 2000 beantragte der Kläger bei dem beklagten Land die Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz. Das beklagte Land zog Akten des Amtsgerichts Ka. zum Aktenzeichen 32 Ls Jug 568 Js 717/00 HW sowie Akten des Landgerichts Ka. zum Aktenzeichen 6 U 323/02 bei. Die Akten des Amtsgerichts Ka. haben ein Strafverfahren gegen Y. K. wegen der Tat am 26. August 2008 zum Nachteil des Klägers begangenen Tat zum Gegenstand. Y. K. wurde deshalb mit Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 4. Juli 2001 zu 30 Stunden gemeinnütziger Arbeit sowie 2.000,00 DM Schmerzensgeld, zu zahlen an den Kläger, verurteilt. Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig geworden, nachdem Y. K., der Berufung eingelegt hatte, durch das Landgericht Ka. in einem Zivilrechtsstreit (Verfahren zum Aktenzeichen 6 U 323/02) zur Zahlung eines Schmerzensge...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge