Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht. Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. ionisierende Strahlung von Radargeräten. gutartiger Tumor. halbseitige Lähmung nach Tumorentfernung. ursächlicher Zusammenhang. Empfehlungen der Radarkommission. Beschädigtenrente. Grad der Schädigungsfolgen

 

Leitsatz (amtlich)

Gutartige Tumore können durch Exposition gegenüber ionisierende Strahlung während der militärischen Dienstverrichtung an Radargeräten verursacht worden sein. Der Bericht der Radarkommission steht dem nicht entgegen.

Hat eine qualifizierte Radartätigkeit vor 1975 stattgefunden, sind die von der Radarkommission entwickelten Grundsätze zur Beurteilung der Kausalität maligner Tumore entsprechend auf die Entstehung benigner Tumore anzuwenden.

 

Orientierungssatz

Zur Bemessung der Beschädigtenrente und des Grads der Schädigungsfolgen (GdS) bei halbseitiger Lähmung nach Tumorentfernung.

 

Normenkette

SVG § 80 Abs. 1 S. 1, § 81 Abs. 1, 6, § 88; BVG § 30 Abs. 1 S. 2, §§ 31-32

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 25. November 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Juli 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2014 verurteilt, der Klägerin unter Anerkennung der bei ihrem verstorbenen Ehemann vorgelegenen Gesundheitsstörung “operativ entfernte gutartige Hirngeschwulst (Meningeom) mit Halbseitenlähmungserscheinungen und Sprachstörungen„ als Folge einer Wehrdienstbeschädigung Versorgungsleistungen für den Zeitraum vom Januar 2004 bis Dezember 2009 auf Basis eines Grades der Schädigungsfolgen von 100 zu gewähren.

Die Beklagte erstattet der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten für das gesamte Verfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin ihres am __. ______ 1938 geborenen und am __. ________ 2009 verstorbenen Ehemannes H____ S_____ (im Folgenden: der Geschädigte) die Anerkennung einer operativ entfernten, gutartigen Hirngeschwulst (Meningeom) mit Halbseitenlähmungserscheinungen und Sprachstörungen als Folge einer Wehrdienstbeschädigung und die Gewährung von Versorgungsleistungen wegen der Wehrdienstbeschädigung.

Der Geschädigte war vom 1. April 1957 bis 31. März 1991 als Berufssoldat bei der Bundeswehr und dort bei der Marine in verschiedenen Funktionen tätig. In der Zeit bis Ende 1963 war er dabei als Techniker und Operator an verschiedenen Radareinrichtungen zu Wartungs- und Überwachungsarbeiten eingesetzt. Er übte Funktionen als Radargast, Radarmaat und Flugsicherungsanwärter aus.

2003 erkrankte der Geschädigte an einem gutartigen Hirntumor (Meningeom) und beantragte am 3. September 2003 die Anerkennung dieser Erkrankung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung auf Grundlage der ausgeführten Tätigkeiten mit einhergehender Belastung durch ionisierende Strahlen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Juni 2004 ab. Sie führte aus, bei dem Kläger liege als Gesundheitsstörung eine “operativ entfernte gutartige Hirngeschwulst (Meningeom) mit Halbseitenlähmungserscheinungen (rechtsseitig) und Sprachstörungen„ vor. Diese sei aber nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung. Nach herrschender Meinung in den medizinischen Wissenschaften, die auch durch den Bericht der vom Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages eingesetzten Radarkommission bestätigt worden sei, seien als qualifizierende Krankheiten aufgrund ionisierender Strahlung ausschließlich Katarakte und maligne Tumoren - mit Ausnahme der chronisch lymphatischen Leukämie - anzusehen. Die von dem Geschädigten geltend gemachte Gesundheitsstörung gehöre nicht zu diesen Erkrankungen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer etwaigen Strahleneinwirkung während der dienstlichen Tätigkeit und der Erkrankung sei daher auszuschließen.

Mit Antrag vom 4. November 2003 begehrte der Geschädigte gegenüber dem Land Schleswig - Holstein, vertreten durch das Landesamt für soziale Dienste (Land) Versorgung wegen der geltend gemachten Wehrdienstbeschädigung. Diesen Antrag lehnte das Land mit Bescheid vom 15. Juli 2004 unter Rückgriff auf die von der Beklagten gegebene Begründung ab.

Im Folgenden legte der Geschädigte nur gegen den Bescheid der Beklagten am 19. Juli 2004 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, er sei während seiner Dienstzeit im belastungsrelevanten Ausmaß ionisierender Strahlung ausgesetzt gewesen. Es sei nach einer Latenzzeit von über zehn Jahren zur Entwicklung eines Meningeoms gekommen. Ein Rezidiv dieses Tumors sei möglich, es könne dann auch zu einer malignen Verlaufsform kommen. Es sei daher nicht von einer dauerhaft ausschließlich gutartigen Geschwulst auszugehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Geschädigten zurück. Zur Begründung hielt sie an ihren bisherigen Ausführungen fest und führte ergänzend aus, es sei zweifellos richtig, dass auf dem Gebiet der Strahlenonkologie die Wissenschaft im Fluss sei und es n...

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