Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückverweisung des Rechtsstreits wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels
Orientierungssatz
1. Das Landessozialgericht kann den Rechtsstreit an das Sozialgericht u. a. dann zurückverweisen, wenn dessen Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Der Mangel kann darauf beruhen, dass das Gericht es unterlassen hat, zu prüfen, ob alle Voraussetzungen des erhobenen Anspruchs dem Grunde nach vorliegen.
2. Der Erlass eines Grundurteils stellt dann einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, wenn das Gericht die hierfür erforderlichen Ermittlungen unterlassen hat. Die Verletzung der Amtsermittlungspflicht ist ein wesentlicher Verfahrensmangel.
3. Bei einem geltend gemachten Anspruch nach dem OEG erstreckt sich die Amtsermittlungspflicht des Gerichts auch auf die Überprüfung der Versagungstatbestände des § 2 OEG.
4. Nur im Ausnahmefall gebietet die Amtsermittlungspflicht eine Zurückverweisung. Hat das Erstgericht zu einem komplexen Sachverhalt aber überhaupt keine eigenen Ermittlungen durchgeführt, ist eine Zurückverweisung geboten, weil den Beteiligten anderenfalls faktisch eine volle Instanz genommen würde.
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 26. Juni 2007 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Kiel zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens bleibt der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin wegen der Folgen von Misshandlungen durch ihren früheren Lebensgefährten Anspruch auf Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) hat.
Die 1962 geborene Klägerin lernte ca. 1997 Herrn A.P. kennen. Sie bekam als selbstständige Architektin Aufträge von der Baufirma, deren Inhaber Herr P. war. Kurze Zeit später kam es zu einer Liebesbeziehung zwischen der Klägerin und Herrn P. Seit Oktober 1998, nach der Trennung von ihren jeweiligen bisherigen Partnern, lebten beide gemeinsam in einem Haus, aus dem die Klägerin im November 1999 auszog.
Im November 1999 erstattete die Klägerin gegen Herrn P. Strafanzeige wegen einer Körperverletzung am 19. November 1999 sowie zweier Sachbeschädigungen zu ihren Lasten am 19. und 20. November 1999. Diese Taten wurden vor dem Amtsgericht R. angeklagt (8 Ds 571 Js 2799/00 ≪295/00≫). Das Verfahren wurde gemäß § 153a Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) mit Beschluss vom 28. November 2000 vorläufig eingestellt. Herrn P. wurde aufgegeben, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 DM im Hinblick auf die Tätlichkeit vom 19. November 1999 sowie eine Geldbuße in Höhe von 500,00 DM zugunsten der Landeskasse zu zahlen.
Im Oktober 2000 erstattete die Klägerin weitere Strafanzeige wegen weiterer Körperverletzungen seitens des Herrn P. In ihrer Zeugenvernehmung bei der Kriminalpolizei R. im Januar 2001 gab sie an, es sei bereits seit Frühjahr 1998 und immer wiederkehrend zu gewalttätigen Handlungen des Herrn P. ihr gegenüber mit sichtbaren Verletzungen gekommen. Angeklagt wurden von der Staatsanwaltschaft von zahlreichen von der Klägerin geschilderten tätlichen Angriffen Vorfälle am 18. August 1998, 18. Juli 1999 und im Oktober 1999. Das Amtsgericht R. verurteilte Herrn A.P. durch Urteil vom 15. April 2003 (8 Ls 500 Js 54240/00 ≪136/02≫) wegen Vergewaltigung und zweifacher vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. In den Gründen des Urteils des Amtsgerichts R. ist dazu im Wesentlichen festgestellt, am 18. August 1998 sei es zwischen Herrn P. und der - im dortigen Verfahren - Nebenklägerin auf der Rückfahrt von einer Geburtstagsfeier zu einer heftigen Auseinandersetzung, vermutlich beruhend auf der Eifersucht des A.P., gekommen. In der Wohnung des Angeklagten angekommen, habe die Nebenklägerin erklärt, dass sie die Nacht im Wohnzimmer und nicht mit dem Angeklagten im Schlafzimmer verbringen wolle. Hierüber sei der Angeklagte in Wut geraten, zumal er auch angetrunken gewesen sei. Er habe die Klägerin gezerrt, sie schmerzhaft an den Haaren gezogen und sie schließlich so gestoßen, dass sie über eine am Boden stehende Kiste gefallen und mit dem Hinterkopf auf die Bodenfliesen aufgeschlagen sei. Hierdurch habe sie eine Schädelprellung erlitten und sich mehrmals übergeben müssen. Trotz dieses Vorfalles habe sie die Beziehung zu dem Angeklagten fortgesetzt und mit ihm ein gemeinsames Haus in L. bezogen, wo die Beziehung weiter mit Spannungen und tätlichen Übergriffen des Angeklagten verlaufen sei, die jedoch nicht Gegenstand gerichtlicher Verfahren geworden seien. Am 18. Juli 1999 seien die Nebenklägerin und der Angeklagte bei dessen Bruder zu Besuch in F. gewesen. Es sei zu Sticheleien gegen die Nebenklägerin gekommen, so dass diese das Haus zu Fuß verlassen habe. Nach kurzer Zeit sei der Angeklagte mit dem P...