Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des vertragsärztlichen Honorars - Praxisbesonderheit - Härtefall

 

Orientierungssatz

1. Für die vertragsärztliche Regelleistungsvolumen (RLV)-Systematik ist die Mengenbegrenzung der zu vergütenden Leistungen und die Sicherheit der Vertragsärzte an festen Punktwerten in einem bestimmten Honorarbereich prägend (BSG Urteil vom 6. 2. 2013, B 6 KA 13/12 R).

2. Die Vorschrift des § 87b Abs. 1 S. 1 SGB 5 hat zum Ziel, eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes zu verhindern. Dieses Gebot richtet sich mittelbar auch an eine Arztgruppe und an die Gesamtheit der Ärzte. Die vertragsärztliche Praxis erhält nach der Definition des § 87b Abs. 2 S. 2 SGB 5 kein RLV für die Gesamtheit der RLV-relevanten Fälle.

3. Bei der Bemessung der RLV sind nach § 87b Abs. 3 S. 3 SGB 5 Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen, wenn dazu Veranlassung besteht. Dies gilt auch für qualifikationsbedingte Zusatzvolumina (QZV). Die Berücksichtigung einer Praxisbesonderheit setzt ein Überschreiten des durchschnittlichen RLV-Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30 % voraus (BSG Urteil vom 26. 6. 2019, B 6 KA 1/18 R).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 26.05.2021; Aktenzeichen B 6 KA 28/20 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts

Kiel vom 24. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Honorars des Klägers für das Quartal III/2012. Der Kläger macht einen Härtefall und Praxisbesonderheiten geltend. Dabei rügt er insbesondere den Zuschnitt des zugewiesenen qualifikationsbedingten Zusatzvolumens (QZV). In weiteren Berufungsverfahren des Senats sind die Honorare der Quartale I/2009 bis II/2010, I/2011 und I und II/2012 streitig.

Der Kläger ist seit dem Quartal I/2008 in P…. als Chirurg mit der Schwerpunktbezeichnung Viszeralchirurgie und der Zusatzbezeichnung Proktologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, zunächst in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) und ab dem Quartal II/2008 in einer Einzelpraxis.

Im Quartal III/2008 erzielte der Kläger ein Honorar in Höhe von 47.054,54 €.

Mit Bescheid vom 30. Mai 2012 teilte die Beklagte dem Kläger für das Quartal III/2012 ein Gesamtvolumen in Höhe von 26.925,42 € mit. Das Regelleistungsvolumen (RLV) betrug 19.810,58 €, das QZV 7.114,84 €. Die Fallzahl des Klägers lag bei 712. Der Durchschnitt der Gruppe der Fachärzte für Chirurgie, Kinderchirurgie und Plastische Chirurgie betrug 729,4 Fälle. Der Fallwert der Fachgruppe lag bei 27,53 €. Das QZV errechnet sich aus Leistungen der Gastroenterologie I in Höhe von 3.548,96 €, aus Leistungen der Behandlungen von Hämorrhoiden in Höhe von 3.029,60 € und Leistungen der Teilradiologie in Höhe von 536,28 €. Mit seinem Widerspruch vom 12. Februar 2013 begehrte der Kläger eine Anpassung der Höhe des QZV Gastroenterologie I und bemängelte die Fallzahl im QZV für Leistungen der Teilradiologie. Die Höhe des QZV Gastroenterologie I sei nicht nachvollziehbar. Er habe innerhalb des QZV ausschließlich Leistungen nach der Gebührenordnungsposition (GOP) 13400 EBM (Zusatzpauschale Ösophago-Gastroduodenoskopie) abgerechnet. Diese seien im EBM mit 82,71 € bewertet worden, er habe hierfür im QZV jedoch nur 44,87 € je Fall zuerkannt bekommen. Leistungen der Teilradiologie habe er seit dem Quartal II/2010 abgerechnet.

Mit Bescheid vom 22. August 2014 lehnte das H-Team der Beklagten eine Anhebung des QZV Gastroenterologie I ab. Die Berechnung der QZV erfolge arztgruppenspezifisch für jedes QZV einzeln. Jeder Arztgruppe stehe dafür ein bestimmtes Verteilungsvolumen zur Verfügung, aus dem die unterschiedlichen Zusatzvolumina ermittelt würden. Der Fallwert errechne sich aus dem für das Zusatzvolumen vorhandenen Verteilungsvolumen geteilt durch die gesamte Leistungsfallzahl der Ärzte der Arztgruppe. Die Zuweisung des jeweiligen QZV an den einzelnen Arzt erfolge auf Basis der individuellen Leistungsfallzahl des Vorjahresquartals. Der Leistungsfall definiere sich dabei als Anzahl der Patienten in einer Arztpraxis in einem Quartal, an denen QZV-relevante Leistungen erbracht und abgerechnet worden seien. Der Bescheid enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.

Mit Bescheid vom 13. Oktober 2012 gewährte die Beklagte dem Kläger für das Quartal III/2012 ein Honorar in Höhe von 83.748,54 €. Die Anforderung des Klägers für RLV/QZV-relevante Leistungen betrug 37.551,99 €. Die Budgetüberschreitung in Höhe von 10.626,57 € wurde mit 1.464,62 € vergütet (13,786 %). Dem widersprach der Kläger am 12. Februar 2013 mit gleicher Begründung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2015 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Sie stellte die Rechtslage zu den RLV und QZV dar. Honorarausgleichsmaßnahmen seien nicht vorzunehmen und ein Härtefall sei nicht anzuerkennen, da der Kläger gegenüber dem Vergleichsquartal des Jahres 2008 keinen Honorarverlust in Höhe von mindestens 15 % habe...

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