Entscheidungsstichwort (Thema)
Fremdrentenrecht. Verfassungsmäßigkeit der echten Rückwirkung des 22b FRG idF des RVNG. Entgeltpunktekürzung
Orientierungssatz
1. Die rückwirkende Änderung des § 22b Abs 1 S 1 idF des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RVNG) vom 21. Juli 2004 zum 7.6.1996 ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Vertrauen auf den Fortbestand der früheren Rechtslage ist nicht schutzwürdig.
2. Der Senat ist weiterhin der Überzeugung, dass auch die durch § 22b Abs 1 S 1 FRG vom 16.12.1997 angeordnete Begrenzung der anrechenbaren Zeiten nach dem FRG auf 25 Entgeltpunkte nicht nur Renten aus eigener Versicherung betraf, sondern ebenso vorzunehmen war, wenn dem Begünstigten neben einem Recht aus eigener Versicherung ein abgeleitetes Recht auf Hinterbliebenenrente zustand (entgegen BSG vom 30.8.2001 - B 4 RA 118/00 R = BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2, BSG vom 11.3.2004 - B 13 RJ 44/03 R, BSG vom 7.7.2004 - B 8 KN 10/03 R). Auch ein Hinterbliebener ist als Berechtigter anzusehen und der Höchstwert für alle seine Renten sollte auf 25 Entgeltpunkte begrenzt sein, so dass auch alleinstehende Berechtigte mit mehreren Renten eine Rentensumme höchstens in Höhe der Eingliederungshilfe zustand.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 4. Juni 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die der Klägerin nach dem Fremdrentengesetz (FRG) dem Grunde nach zuerkannte große Witwenrente auszuzahlen hat.
Die 1924 geborene Klägerin lebte zusammen mit ihrem Ehemann, dem 1918 geborenen und 1995 verstorbenen Versicherten Heinrich L., als deutsche Volkszugehörige in der ehemaligen Sowjetunion/GUS/Russland. Am 27. Oktober 2000 übersiedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland. Sie ist laut Bescheinigung nach § 15 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) der Landeshauptstadt Kiel vom 1. Februar 2001 als Spätaussiedlerin i. S. d. § 4 BVFG anerkannt.
Mit Bescheid vom 23. November 2001 bewilligte ihr die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Regelaltersrente (RAR) aus eigener Versicherung ab 27. Oktober 2000. Dieser Rente lagen Entgeltpunkte (EP) für FRG-Zeiten zu Grunde, die nach § 22 b FRG auf 25 begrenzt angerechnet wurden.
Am 10. November 2000 stellte die Klägerin einen Antrag auf Hinterbliebenenrente. Mit Bescheid vom 14. Juni 2001 entschied die Beklagte, dass ein Anspruch auf große Witwenrente dem Grunde nach bestehe, eine Rente jedoch nicht gezahlt werde, weil anrechenbare Zeiten nach dem FRG auf 25 EP begrenzt seien und diese bereits in der von der BfA gewährten RAR berücksichtigt würden.
Mit ihrem deswegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend: Sie und ihr Ehemann hätten ein Leben lang gearbeitet. Eine Rente in Höhe von 584,76 € sei dafür zu wenig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Gemäß § 97 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) habe eine Anrechnung von Einkommen auf Renten wegen Todes zu erfolgen. Die von der BfA gezahlte RAR sei als Einkommen im Sinne von § 18a des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) zu berücksichtigen. Auf Grund der durch § 22 b FRG gesetzlich vorgeschriebenen Begrenzung von Renten aus FRG-Zeiten gelange die große Witwenrente nicht zur Auszahlung.
Wegen dieses Bescheides hat die Klägerin am 5. April 2002 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Kiel erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.
Sie hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Witwenrente zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide bezogen.
Das SG hat die Beklagte durch Urteil vom 4. Juni 2003 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen nach ihrem verstorbenen Ehemann zu gewähren, begrenzt auf insgesamt 40 EP aus ihrer eigenen Rente und den Hinterbliebenenleistungen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt: Bei den nach § 22 b FRG gezahlten Renten handele es sich grundsätzlich weiterhin um Renten, die wie üblich zu ermitteln seien und die lediglich in der Höhe begrenzt seien. Die Begrenzung auf höchstens 25 EP gelte nach dem Wortlaut des § 22 b FRG nur für die eigenen Renten des Betroffenen, nicht aber für Renten, die auf den Beitragszeiten Dritter beruhten. Nur wenn die Renten nach den FRG eine reine Fürsorgeleistung wären, wäre eine andere Auslegung möglich. Hiergegen spreche jedoch, dass diese Renten - von ...