Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss von Witwenrente bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente ist ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Dazu muss eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass neben dem Zweck der Versorgung andere Motive zumindest gleichwertig für die Eheschließung maßgeblich waren.

2. Haben die Partner einer langjährig bestehenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft bislang keine Veranlassung gesehen, diese Form des Zusammenlebens zu ändern und die Ehe einzugehen, so ist die Annahme gerechtfertigt, dass angesichts einer eingetretenen schweren Erkrankung des Versicherten die wirtschaftliche Sicherung des Überlebenden der bestimmende Beweggrund für die Heirat war.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 26. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für den zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, insbesondere darüber, ob dieser Anspruch dadurch ausgeschlossen ist, weil ihm eine Ehe zugrunde liegt, die weniger als ein Jahr vor dem Tode des Ehemanns geschlossen worden ist .

Die am … 1936 geborene Klägerin ist die Witwe des am … 1936 geborenen und am … 2002 verstorbenen D. K.. (im Folgenden als der Versicherte bezeichnet), der von der Beklagten seit dem 1. Dezember 1996 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bezog in Höhe von zuletzt 1.535,18 Euro monatlich.

Die Klägerin lebte mit dem Versicherten bereits seit dem 31. Mai 1985 in dessen Wohnung zusammen und war mit ihm nach ihren Angaben seit dem 31. Mai 1987 verlobt gewesen.

Am 16. Mai 2002 wurde der Versicherte mit Verdacht auf einen cerebralen Prozess stationär im Klinikum N./O. aufgenommen. Die am selben Tag durchgeführte Computertomografie des Kopfes zeigte mehrere Hirnfiliae (Hirnmetastasen) beidseits. Röntgen-Thorax-Aufnahmen vom 16., 22. sowie 23. Mai 2002 zeigten einen großen Lungentumor, rechts, zusätzlich bestand eine Lungenentzündung, rechts. Die am 23. Mai 2002 durchgeführte Bronchoskopie ergab eine Lungeneinengung im 1. Segment rechts. Zur weiteren Untersuchung wurde der Versicherte am 28. Mai 2002 in das Forschungszentrum B. verlegt. Dort wurde ein fortgeschrittenes großzelliges Lungenkarzinom mit Einwachsen des Tumors in die Brustwand gesichert. Am 05. Juni 2002 wurde der Versicherte in das Klinikum N./O. rückverlegt, wo er am 11. Juni 2002 nach einem generalisierten cerebralen Krampfanfall an den Folgen des fortgeschrittenen Tumorleidens verstarb.

Während des Aufenthaltes des Versicherten im Forschungszentrum B., nämlich am 31. Mai 2002, heirateten die Klägerin und der Versicherte standesamtlich. Die Trauung wurde von der Standesbeamtin D. vom Standesamt I. im Krankenhaus vorgenommen. Am 29. Mai 2002 hatte der Versicherte die Klägerin auf dem dafür vorgesehenen Formular zur Anmeldung der Eheschließung bevollmächtigt. Die Bescheinigung der Anmeldung der Eheschließung seitens der für den Wohnort der Klägerin und des Versicherten zuständigen Standesbeamtin W. des Standesamtes N. datiert vom 30. Mai 2002, gleichzeitig erteilte die Standesbeamtin W. dem Standesamt I. eine standesamtliche Ermächtigung zur Vornahme der Eheschließung. Am 30. Mai 2002 gab der behandelnde Arzt im Forschungszentrum B. eine "Erklärung eines Arztes aus Anlass einer Eheschließung bei lebensgefährlicher Erkrankung eines Verlobten" gegenüber dem Standesamt I. auf dessen Veranlassung ab.

Unter dem 18. Juni 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Witwenrente. Unter Hinweis darauf, dass die Ehe nicht mindestens 1 Jahr gedauert habe und unter Erläuterung der Vorschrift des § 46 Abs. 2a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bat die Beklagte die Klägerin um Mitteilung etwaiger Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen könnten. Hierzu teilte die Klägerin mit, sie habe bereits seit dem 31.05.1985 mit dem Versicherten in dessen Wohnung im R. 14 in N. gelebt, ihre Wohnung in der B. Straße 21 in N. aber nicht aufgegeben und auch keine Wohnsitz-Ummeldung vorgenommen, da ihr Sohn diese Wohnung bewohnt habe. Es sei vorgesehen gewesen, den gemeinsamen Lebensabend ab 2001 in der Wohnung B. Straße zu verbringen. Daher hätten sie bereits zum 31. Mai 2001 eine Heirat geplant, die durch höhere Gewalt auf präzises eine Jahr habe verschoben werden müssen. Ein Jahr später, am 31. Mai 2002, hätten sie nun endlich in Verbindung mit Urlaub im Umkreis Ba. heiraten wollen. Es sei jedoch dann ganz anders gekommen, da ihr Ehemann am 16. Mai 2002 plötzlich ohne vorhersehbare Anzeichen schweißgebadet zusammengebrochen und in das Klinikum N./O. notfallmäßig eingeliefert worden sei. Dort sei e...

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