Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft durch den Träger der Grundsicherung
Orientierungssatz
1. Die angemessenen Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB 2 sind vom Grundsicherungsträger auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts zu ermitteln. Dieses muss die Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarktes im Vergleichsraum dem Angemessenheitswert zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wird.
2. Sind die angemessenen Unterkunftskosten durch das vom Grundsicherungsträger verwendete Konzept nicht hinreichend bestimmt, so sind die tatsächlichen Unterkunftskosten begrenzt auf die Werte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % der Leistungsgewährung zugrunde zu legen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 5. Juni 2019 geändert und insgesamt neu gefasst:
Der Bescheid vom 7. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2015 wird geändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. September 2015 bis zum 29. Februar 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Zugrundelegung der tatsächlichen Bruttokaltmiete zuzüglich Heizkosten zu gewähren.
Der Bescheid vom 8. Januar 2019 wird geändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. September 2017 bis 28. Februar 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Zugrundelegung der tatsächlichen Bruttokaltmiete zuzüglich Heizkosten zu gewähren.
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten stehen höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung für den Bewilligungszeitraum vom 1. September 2015 bis 29. Februar 2016 sowie vom 1. September 2017 bis 28. Februar 2018 im Streit.
Die 1956 geborene Klägerin stand bis zum 28. Februar 2011 im Leistungsbezug des Jobcenters Kreis Dithmarschen. Ab dem 1. Februar 2011 nahm die Klägerin eine auf ein Jahr befristete Teilzeittätigkeit als Anzeigen- und Marketingassistentin beim M in Husum auf. Das monatliche Entgelt betrug 451,69 EUR brutto. Zum 1. März 2011 mietete sie daraufhin eine 45 m² große 2-Zimmerwohnung in der B Straße in Husum ohne Zusicherung der Leistungsträger an; die Nettokaltmiete betrug seinerzeit monatlich 290,00 EUR zuzüglich Betriebskostenabschlag in Höhe von 50,00 EUR und Heizkostenvorschuss (Heizöl) in Höhe von 60,00 EUR. Auf den Antrag vom 14. Februar 2011 bewilligte der Beklagte mit Erst-Bescheid vom 18. Februar 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 1. März 2011. Dabei erkannte der Beklagte lediglich Unterkunftskosten in Höhe von 307,00 EUR bruttokalt (Grundmiete 290,00 EUR zuzügl. anerkannter Nebenkosten 17,00 EUR) sowie die Heizkostenabschläge in tatsächlicher Höhe an.
Ab März 2013 erhöhte der Vermieter die Nettokaltmiete auf 310,00 EUR und den Heizkostenvorschuss auf 75,00 EUR.
Seit dem 1. Juli 2015 berücksichtigte der Beklagte eine aus seiner Sicht angemessene Bruttokaltmiete in Höhe von 332,00 EUR zuzüglich Heizkosten in Höhe von 75,00 EUR (Aufhebungs- und Änderungsbescheid vom 7. August 2015).
Die Betriebs- und Heizkostenabrechnung des Vermieters vom 14. Juli 2015 für das Jahr 2014 ergab zu Gunsten der Klägerin ein Guthaben in Höhe von 215,50 EUR, das am 16. Juli 2015 dem Konto der Klägerin gutgeschrieben wurde. Ab dem 1. August 2015 setzte der Vermieter den Betriebskostenvorschuss auf 45,00 EUR und den Heiz- und Warmwasserabschlag auf 60,00 EUR fest.
Auf den Antrag vom 17. Juli 2015 gewährte der Beklagte mit Folge-Bescheid vom 7. August 2015 für den Bewilligungszeitraum vom 1. September 2015 bis 29. Februar 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. September 2015 bis 31. Dezember 2015 in Höhe von 737,25 EUR monatlich, für Januar 2016 in Höhe von 791,00 EUR sowie für Februar 2016 in Höhe von 738,27 EUR. Neben dem Regelbedarf für Alleinstehende (399,00 EUR) berücksichtigte der Beklagte eine Bruttokaltmiete in Höhe von 332,00 EUR monatlich und die tatsächlichen Heiz-und Warmwasserkosten in Höhe von 60,00 EUR. Aufgrund des Guthabens in Höhe von 215,50 EUR aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung vom 14. Juli 2015 minderte der Beklagte für die Zeit vom 1. September 2015 bis 31. Dezember 2015 den Heizkostenanteil zunächst um 53,75 EUR monatlich und erkannte Heizkosten in Höhe von 6,25 EUR monatlich als Bedarf an. Ein Mehrbedarf für die Warmwasserbereitung nach § 21 Abs. 7 SGB II gewährte er nicht, da diesbezüglich keine Kosten entstanden.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 12. August 2015 Widerspruch.
Mit Aufhebungs- und Änderungsbescheid vom 4. September 2015 hob der Beklagte den Bescheid vom 7. August 2015 auf...