Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der angemessenen Kosten für die Unterkunft bei einem Einpersonenhaushalt - gerichtliche Kontrolle
Orientierungssatz
1. Zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft i. S. von § 22 SGB 2 muss die regionale Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage eines gerichtlich überprüfbaren schlüssigen Konzepts erfolgen.
2. Diesen Anforderungen wird ein für einen Einpersonenhaushalt ermitteltes Konzept u. a. dann nicht gerecht, wenn es auch abstrakt unzumutbare Wohnungen in Form von Wohngemeinschafts-Zimmern bei der Ermittlung der Unterkunftskosten für diese Haushaltsgröße mit einbezieht.
3. WG-Zimmer zählen ebenso wie Wohnungen z. B. ohne Warmwasser oder ohne WC innerhalb der Wohnung zum Substandard.
4. Damit entspricht die Einbeziehung von WG-Zimmern in die Ermittlung der Unterkunftskosten für Einpersonenhaushalte nicht den Anforderungen der Rechtsprechung an ein schlüssiges Konzept.
5. Die Erstellung einschließlich der anzuwendenden Methode ist dem Jobcenter vorbehalten. Führt die gerichtliche Kontrolle zur Beanstandung des schlüssigen Konzepts, so ist dem Leistungsträger zunächst Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben (BSG Urteil vom 30. 1. 2019, B 14 AS 24/18 R). Gelingt es dem Jobcenter nicht, die Beanstandungen des Gerichts auszuräumen, so ist das Gericht nicht befugt, zur Herstellung der Spruchreife seinerseits ein schlüssiges Konzept zu erstellen.
6. Bis dahin hat der Grundsicherungsberechtigte einen Anspruch auf Berücksichtigung seiner tatsächlichen Unterkunftskosten, begrenzt auf die sich aus § 12 WoGG ergebenden Werte zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % (BSG Urteil vom 12. 12. 2013, B 4 AS 87/12 R).
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 18. März 2016 und der Bescheid vom 24. Februar 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2015 insoweit geändert, als der Beklagte verpflichtet wird, der Klägerin Leistungen für die Monate März bis August 2015 unter Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft in Höhe von 363,00 EUR bruttokalt zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 18. März 2016 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin 1/5 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten in der Berufungsinstanz zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Streitig sind die als Bedarf anzuerkennenden Kosten der Unterkunft für die Monate März bis August 2015.
Die 1968 geborene Klägerin stand seit August 2014 im Leistungsbezug des Beklagten nach dem SGB II. Sie bewohnte eine Wohnung im F... .... Die Wohnung verfügte über zwei Zimmer bei einer Wohnfläche von ca. 55 m². Der Wohnung war außerdem ein Garagenplatz zugeordnet. Gemäß Mietvertrag war monatlich für die Kaltmiete 380,00 EUR zuzüglich eines Nebenkostenabschlages 70,00 EUR zuzüglich eines Heizkostenabschlages 70,00 EUR zu zahlen. Die Kosten für den Garagenplatz betrugen 35,00 EUR; die Klägerin hatte diesen zu selbigen Kosten an einen Dritten weitervermietet. Der Beklagte berücksichtigte zunächst im Rahmen der Leistungsbewilligung für die laufenden Kosten der Unterkunft und Heizung die tatsächlich verbliebenen Kosten in Höhe von 520,00 EUR monatlich. Mit Informationsschreiben vom 24. September 2014 teilte der Beklagte mit, dass diese Kosten unangemessen hoch für einen Einpersonenhaushalt seien. Angemessen sei ein Betrag von 315,00 EUR bruttokalt (Kaltmiete zuzüglich Nebenkosten) zuzüglich Heizkosten von bis zu 1,00 EUR pro m². Die Klägerin sei gehalten, die Kosten entsprechend bis 28. Februar 2015 zu senken oder vorzutragen, ob und weshalb eine Kostensenkung ihr generell nicht zumutbar sei.
Auf den Fortzahlungsantrag der Klägerin vom 3. Februar 2015 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 24. Februar 2015 vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 1. März bis 31. August 2015. Die Vorläufigkeit begründete er mit dem zu erwartenden, jedoch in der Höhe noch nicht feststehenden Einkommen der Klägerin aus Honorartätigkeiten. Für die Kosten der Unterkunft setzte er als Bedarf ankündigungsgemäß noch einen Betrag von 315,00 EUR bruttokalt an; die Heizkosten berücksichtigte er nach wie vor in tatsächlicher Höhe (70,00 EUR). Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie habe seit Anbeginn ihrer Arbeitslosigkeit Wohnungssuche in verschiedenen Städten betrieben. Hierzu habe sie im Internet über diverse Suchmaschinen und Immobilienportale Suchaufträge hinterlegt. Hieraus seien zwei positive Resultate generiert worden, die sich jedoch bei genauer Überprüfung doch nicht als kostenangemessen herausgestellt hätten. Auch eine Anfrage bei den Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften in F... am 26. Februar 2015 habe als Ergebnis erbracht, dass keine kostenangemessenen Wohnungen angeboten würden. Ihre Mutter habe für sie in B......_ und P... gesucht; auch hier habe si...