Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. freiwilliges Mitglied. hauptberuflich selbständig Erwerbstätiger. geringfügige Berufstätigkeit. Beitragsbemessung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine hauptberufliche selbständige Erwerbstätigkeit ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Erwerbstätige sich in seinem Betrieb zur Verfügung hält. Damit hält er seine Erwerbschance aufrecht. Auf den Umfang des tatsächlichen Arbeitseinsatzes kommt es nicht an.

2. Die Regelung des § 240 Abs 4 S 2 SGB 5 ist verfassungsgemäß. Sie ist ein Element der Beitragsgerechtigkeit, auf die der Gesetzgeber im Wege pauschalierender Betrachtungsweise als Differenzierungsmerkmal zulässig abstellen durfte. Eine Härtefallregelung würde dem Gesetzeszweck widersprechen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der vom Kläger ab 1. Juli 1996 zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge.

Der 1945 geborene Kläger ist als Herrenfrisör selbständig tätig. Seit 1. Januar 1981 ist er freiwillig bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Nachdem die Beklagte ab 1. Januar 1993 seine Krankenversicherungsbeiträge auf der Grundlage des 40. Teils der monatlichen Bezugsgröße als beitragspflichtige Einnahmen berechnet hatte, war zwischen den Beteiligten ein Gerichtsverfahren durchgeführt worden. Die Klage war mit Gerichtsbescheid vom 18. März 1994 des Sozialgerichts Itzehoe (S 1 Kr 26/93) abgewiesen, die Berufung mit Urteil vom 25. Oktober 1994 (L 1 Kr 57/94) durch das Landessozialgericht Schleswig-Holstein zurückgewiesen worden. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hatte das BSG wegen Unzulässigkeit verworfen.

Am 14./16. Juli 1996 beantragte der Kläger, seinen Beitrag statt auf 453,62 DM nach dem niedrigsten Satz, 198,72 DM, zu berechnen. Hierzu trug er vor, er arbeite in seinem alten Geschäft nur allein und übe eine geringfügige Berufstätigkeit aus. Er habe monatliche Einnahmen in Höhe von ca. 600,00 DM. Er bezog sich auf ein anhängiges Verfahren beim Bundesverfassungsgericht wegen der Beitragshöhe für die freiwillige Krankenversicherung. Mit Schreiben vom 15. August 1996 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sich ab 1. Juli 1996 aufgrund seines veränderten Einkommens ein monatlicher Beitrag in Höhe von 392,44 DM zuzüglich 52,54 DM für die Pflegeversicherung errechne. Mit Bescheid vom 22. August 1996 setzte sie den Beitrag für die Krankenversicherung und die Pflegeversicherung monatlich in Höhe von 444,98 DM fest.

Mit seinem Widerspruch vom 2. September 1996 führte der Kläger aus, sein Einkommen habe sich nicht geändert. Er nehme monatlich 500,00 DM bis 600,00 DM ein. Hierzu legte er den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1994 vor, demzufolge er ein Einkommen aus Gewerbebetrieb in Höhe von 5.553,00 DM erzielt hatte. Er trug vor, er sei täglich ungefähr eine halbe Stunde tätig, habe jedoch das Geschäft den ganzen Tag geöffnet. Er wolle nur den Mindestbeitrag in Höhe von 198,72 DM zahlen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 1996 zurück. Zur Begründung der Entscheidung führte sie im wesentlichen aus, nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) sei für die Beitragsbemessung zur freiwilligen Krankenversicherung der selbständig Erwerbstätigen je Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze, bei dem Nachweis niedrigerer Einnahmen mindestens der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße als beitragspflichtige Einnahmen anzusetzen. Der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze betrage für 1996 200,00 DM. Da die Einnahmen des Klägers monatlich 500,00 DM bis 600,00 DM betrügen, sei der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße täglich, also ein monatliches Einkommen in Höhe von 3.090,00 DM, als beitragspflichtige Einnahmen zugrundezulegen. Dieses fiktive Mindesteinkommen dürfe bei der Beitragsbemessung nicht unterschritten werden. Die Rechtslage sei vom Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht mit Urteil vom 25. Oktober 1994 bestätigt worden. Das Eigentumsrecht aus Artikel 14 Grundgesetz sei dadurch nicht verletzt. Könne ein Versicherter die Beiträge nicht aufbringen, sei im Bundessozialhilfegesetz die Übernahme durch den Sozialhilfeträger vorgesehen. Auch der allgemeine Gleichheitsgrundsatz sei nicht verletzt, denn der gegenüber den Pflichtversicherten erhöhte Mindestbeitrag sei sachlich gerechtfertigt.

Gegen diese am 6. Dezember 1996 zugestellte Entscheidung richtet sich die Klage, die der Kläger am 6. Januar 1997 beim Sozialgericht erhoben hat. Er hat einen Härtefall und eine Notlage geltend gemacht. Das bestehende Gesetz sei ungerecht, weil es allein auf die großen Handwerksbetriebe abstelle, die wirtschaftliche Lage der Kleinhandwerker aber außer acht lasse. Angesichts seiner Einkommensverhältnisse sei es nicht gerechtfertigt, den gesetzlich vorgesehenen Mindestbeitrag zu erheben, da es einen Billigtarif für bedürftige Menschen gebe. Ergänzend hat er den Einkommensteuerbescheid für 1995 vorgelegt, demzufolge er Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 275,00 DM gehabt...

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