Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragspflichtige Einnahmen. freiwilliges Mitglied. hauptberuflich selbständig Erwerbstätiger. Sozialhilfebedürftigkeit
Orientierungssatz
Zur Qualifizierung der Erwerbstätigkeit eines freiwilligen Mitglieds in der gesetzlichen Krankenversicherung als hauptberuflich selbständig (hier - vorübergehende - Sozialhilfebedürftigkeit).
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe von Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung für die Jahre 1993 bis 1995.
Der im Jahre 1953 geborene Kläger ist Diplom-Volkswirt und Diplom-Kaufmann und im Bereich Werbung und Vermarktung (Außenwerbung) tätig. Bis einschließlich 1993 war er zudem als Anlageberater tätig. Er ist seit Oktober 1984 freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten und war aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit bis zum 31. Dezember 1992 in der Beitragsklasse 885 (zuletzt auf der Grundlage von beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von 2.150,- DM bei einem monatlichen Beitrag von 261,- DM) eingestuft.
Mit Bescheid vom 22. Dezember 1992 und ergänzend mit Schreiben vom 29. Dezember 1992 wies die Beklagte den Kläger in einem laufenden Widerspruchsverfahren, das die Höhe der Beiträge in den Jahren bis 1992 betraf, auf die Änderungen im Beitragsrecht zum 1. 1. 1993 durch das Gesundheits-Strukturgesetz -GSG- hin und teilte ihm mit, er werde vom 1. 1. 1993 an in der Beitragsklasse 925 (auf der Grundlage monatlicher Einnahmen von 2782, 50 DM mit einem monatlichen Beitrag von 362,- DM) geführt. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 19. Januar 1993 und gab in der Folge an, er sei selbständig über 40 Stunden in der Woche tätig. Er sei ledig und habe zwei Kinder. Er halte den neuen monatlichen Beitrag in Höhe von 362,- DM für rechtswidrig, da hierdurch gegen den Gleichheitsgrundsatz für Arbeitseinkommen und Selbständigeneinkommen verstoßen werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 1994 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. Dezember 1992 als unbegründet zurück. Ausgehend davon, daß der Kläger hauptberuflich selbständig erwerbstätig sei und ein monatliches Einkommen unterhalb der nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -SGB V- maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze (2782, 50 DM für 1993 und 2940,- DM für 1994) erziele, sei er zu Recht ab dem 1. 1. 1993 in die für selbständig Erwerbstätige günstigste Beitragsklasse eingestuft worden.
Hiergegen hat sich die am 20. April 1994 erhobene Klage beim Sozialgericht Berlin gerichtet, mit der der Kläger geltend gemacht hat, die Beitragseinstufung sei auf der Grundlage seines tatsächlichen Einkommens durchzuführen. Insbesondere habe die Beklagte bei der Bestimmung des Einkommens die Beträge aus den Abschreibungen und die Zinsaufwendungen des Klägers außer Ansatz zu lassen, da diese Beträge nicht zur Lebenshaltung zur Verfügung stünden und also nicht seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit prägten.
Mit Beitragsbescheid vom 1. Dezember 1994 hat die Beklagte die vom Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1995 zu zahlenden Beiträge in der Beitragsklasse 935 auf der Grundlage des Mindesteinkommen nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V auf 388,- DM festgesetzt.
Mit Urteil vom 30. März 1995 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die Beitragseinstufung entspreche den gesetzlichen Vorgaben in § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V. Das Gericht halte diese Vorschrift für verfassungsgemäß, insbesondere sei kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz erkennbar.
Gegen das ihm am 14. August 1995 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. August 1995 Berufung eingelegt. Er macht nunmehr geltend, er sei nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig. Seit dem 1. Juli 1993 lebe sein Sohn F (geb. 1986) mit ihm in häuslicher Gemeinschaft. Seine Tätigkeit als Anlageberater habe der Kläger wegen der Kinderbetreuung einschränken und später ganz aufgeben müssen. Er sei nach wie vor vorwiegend mit Erziehungsaufgaben und der Führung des Haushalts beschäftigt und arbeite weniger als halbtags. Für ihn seien gelegentlich zwei freie Mitarbeiter tätig, die einen Großteil seiner auswärtigen Termine wahrnähmen. Nur etwa einmal monatlich müsse er mehr als drei Stunden am Tag für seine Firma tätig sein, wenn er persönlich Ortstermine oder Gerichtstermine wahrnehmen müsse. Soweit sein Verdienst zur Lebensführung nicht ausreichend gewesen sei, habe er im Jahre 1994 einen zinslosen Vorschuß von seiner Auftraggeberin, der S-A GmbH, in Höhe von 20.000,- DM bekommen, der später mit den Einnahmen verrechnet worden sei. Im Jahre 1995 seien von der Schwarz-Außenwerbung GmbH 20.000,- DM als Darlehen gewährt worden. Von April 1995 bis Ende Mai 1997 habe er nahezu durchgehend Sozialhilfe bezogen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. März 1995 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 1994 und den Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 1994 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und...