Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherung. Entstehen der Beitragspflicht. geringfügige Beschäftigung. Zusammenrechnung. Änderung der Verhältnisse. Eintritt der Versicherungspflicht. konstitutive Wirkung des Feststellungsbescheides
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beitragspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung entsteht grundsätzlich kraft Gesetzes, ein Verwaltungsakt hat lediglich deklaratorische Bedeutung.
2. Im Falle des § 8 Abs 2 S 3 SGB 4 hat ein Feststellungsbescheid konstitutive Wirkung, indem er bestimmt, dass die Beitragspflicht (nur) für die Zukunft besteht.
3. § 8 Abs 2 S 3 SGB 4 setzt eine Änderung der Verhältnisse voraus. Er ist nur anzuwenden, wenn die Vorraussetzungen für eine Geringfügigkeit zunächst vorgelegen haben und anschließend entfallen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 11. Juni 2008 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Klägerin zur Beitragszahlung für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. September 2006.
Der Beigeladene ist seit dem 1. Januar 2005 bei der Klägerin geringfügig beschäftigt. Er leistet dort Nachtbereitschaft und erhielt in dem streitgegenständlichen Zeitraum monatlich 121,43 bis 125,15 EUR. Einschließlich einer Sonderzuwendung erhielt er im Jahr 2005 1.575,07 EUR und vom 1. Januar bis 30. September 2006 1.123,13 EUR. Der Beigeladene übt seit Juni 2002 ferner eine Nebenbeschäftigung bei der B. S.-H. gGmbH aus; von dieser bezieht er 300,00 EUR abzüglich einer Aufwandsentschädigung von 154,00 EUR monatlich, insgesamt 1.937,16 EUR jährlich. Außerdem übt der Beigeladene eine Hauptbeschäftigung bei der A. U. gGmbH aus; dort arbeitet er 21 Stunden wöchentlich.
Die Klägerin meldete die geringfügige Beschäftigung des Beigeladenen bei der Beklagten an. Diese lehnte mit Bescheid vom 27. September 2006 die Anerkennung einer versicherungsfreien geringfügigen Beschäftigung mit der Begründung ab, die Entgelte einer Haupt- und Nebentätigkeit seien zusammenzurechnen, lediglich die erste geringfügige Beschäftigung sei versicherungsfrei. Sie führte aus, die Beitragspflicht beginne grundsätzlich mit der Feststellung der Versicherungspflicht; lediglich wenn die Meldung vorsätzlich oder grob fahrlässig unterblieben sei, beginne die Beitragspflicht mit Aufnahme der geringfügigen Tätigkeit. Hierzu forderte die Beklagte die Klägerin auf, den Einstellungsbogen oder entsprechende Belege vorzulegen. Die Klägerin übersandte daraufhin den Einstellungsbogen vom 1. März 2005. Daraus ergibt sich, dass der Beigeladene auf die Nebentätigkeit bei der B. S.-H. hingewiesen hatte. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2006 bat die Klägerin ferner um Aufklärung im Hinblick darauf, dass der Arbeitslohn aus allen Nebenbeschäftigungen die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreite. Dieses Schreiben wertete die Beklagte als Widerspruch. Mit weiterem Bescheid vom 25. November 2006 nahm sie eine grobe Fahrlässigkeit bei der unterbliebenen Meldung der Tätigkeit des Beigeladenen zum 1. Januar 2005 an und stellte die Versicherungspflicht zu diesem Zeitpunkt fest. Auch dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte erneut geltend, die Einnahmen des Beigeladenen aus allen Nebentätigkeiten lägen unterhalb der Grenze zur Versicherungsfreiheit von 4.800,00 EUR jährlich. Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2007 zurück, in dem sie erneut die Rechtslage hinsichtlich der Verknüpfung mehrerer geringfügiger und nicht geringfügiger Beschäftigungen darlegte. Die Einnahmen aus einer Haupt- und Nebenbeschäftigung seien grundsätzlich zusammenzurechnen. Lediglich eine, und zwar die zuerst aufgenommene, geringfügig entlohnte Beschäftigung sei von der Zusammenrechnung ausgenommen. Die Klägerin habe grob fahrlässig gehandelt, denn sie habe versäumt, den Sachverhalt hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Beurteilung der Beschäftigungsverhältnisse weiter aufzuklären. Sie habe eine unzutreffende versicherungsrechtliche Beurteilung vorgenommen, obwohl alle entscheidungserheblichen Tatsachen und Rechtsnormen bekannt gewesen seien.
Gegen die Entscheidung hat die Klägerin am 16. März 2007 beim Sozialgericht Itzehoe Klage erhoben, mit der sie sich gegen den Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens gewandt hat. Ihre zuständige Sachbearbeiterin sei davon ausgegangen, dass geringfügige Beschäftigungen bei der Versicherungs- und Beitragspflicht unberücksichtigt blieben, solange die daraus bezogenen Einkommen zusammengerechnet die Grenze von monatlich 400,00 EUR nicht überstiegen. Sie habe jedoch nicht gewusst, dass auch geringfügige Beschäftigungen mit einer Hauptbeschäftigung zusammengerechnet würden. Sie habe den Beigeladenen am 3. April 2005 nach den Vorschriften der Datenerhebungs- und -übertragungsverordnung (DEÜV) angemeldet, ohne dass dies von der Beklagten beanstandet worden sei. Diese hätte einen Datenabgleich durc...