Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter. Zweifel an Hilfebedürftigkeit. Einkommens- und Vermögenseinsatz. fehlende Klärung bzw Nachweis des Verbrauchs. persönliche Verhältnisse. getrennt lebende Ehegatten aufgrund stationärer Unterbringung eines Ehepartners. kein Getrenntleben iS des § 19 Abs 2 SGB 12

 

Leitsatz (amtlich)

1. Höhere Vermögensbeträge können auch längere Zeit nach dem Zufluss noch Zweifel an der Bedürftigkeit hervorrufen, wenn der Verbrauch nicht nachgewiesen ist.

2. Das gilt nicht, wenn der Verbrauch nicht geklärt und nicht mehr zu klären ist.

3. Ob sogenannte "bereite Mittel" der Bedürftigkeit entgegenstehen, hängt auch von den persönlichen Verhältnissen der betroffenen Personen ab (zB familiäre Situation, Alter, Unterhaltsansprüche).

 

Orientierungssatz

1. Getrenntleben iS des § 19 Abs 2 SGB 12 liegt nicht vor, wenn der Ehepartner stationär untergebracht wird (vgl LSG Darmstadt vom 29.7.2008 - L 7 SO 133/07 ER = FEVS 60, 212).

2. Gem § 82 Abs 4 SGB 12 aF bzw § 92a SGB 12 ist aus dem Einkommen des Ehepartners zunächst einmal der Lebensunterhalt des in der Wohnung verbleibenden Partners zu bestreiten, so dass der Ehepartner des Hilfebedürftigen nicht sein gesamtes Einkommen zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes bzw der Heimkosten verbrauchen darf (vgl LSG München vom 28.7.2005 - L 11 B 249/05 SO ER = FEVS 57, 131 und LSG Stuttgart vom 15.10.2007 - L 2 SO 4175/07 ER-B).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 14. Oktober 2009 insoweit geändert, als die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin nur für den Zeitraum vom 1. November 2006 bis 31. August 2007 Leistungen zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit sind Leistungen für die Klägerin nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches, Zwölftes Buch (SGB XII), für den Zeitraum von November 2006 bis September 2007.

Die am … 1926 geborene Klägerin war verheiratet mit Herrn E. P..., geboren am … 1922 und verstorben am ... 2008. Dieser befand sich vom 17. Juli 2005 bis Ende August 2007 in einem Pflegeheim. Sein Antrag auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten vom 19. Juli 2006 wurde mit Bescheid der Beklagten vom 25. September 2006 wegen vorhandenen Vermögens abgelehnt. Ein diesbezüglich angestrengtes Verfahren vor dem Sozialgericht Schleswig (Az.: S 10 SO 593/06) hat sich nach dem Tod des Ehemannes der Klägerin und nachdem die Klägerin das Erbe ausgeschlagen hatte, erledigt. Eine Klage des Pflegeheims vor dem Landgericht L... hinsichtlich der offenen Heimkosten wurde zurückgenommen.

Im streitigen Zeitraum bezog die Klägerin eine Rente in unterschiedlicher Höhe (413,14 EUR, 412,05 EUR, 414,27 EUR). Außerdem wurde ihr ein monatlicher Wohngeldanspruch in Höhe von 164,00 EUR für den Zeitraum von Mai bis einschließlich August 2007 zuerkannt. Seit 1999 wohnt die Klägerin im Haus ihrer Enkelin (Frau G...). Es ist für sie, die Klägerin, ein lebenslanges entgeltliches Wohnrecht eingetragen. Laut Mietvertrag beträgt die Miete 511,29 EUR. Während des Aufenthalts des Ehemannes im Pflegeheim erhielt die Klägerin zunächst Unterhaltszahlungen von ihrem Ehemann. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2006 trat der Betreuer des Ehemannes dessen Renten in Höhe von insgesamt 1.278,43 EUR an das Pflegeheim ab.

Aufgrund der in der Folgezeit fehlenden Unterhaltszahlungen stellte die Klägerin am 30. November 2006 einen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2007 wegen vorhandenen Vermögens von 7.817,77 EUR ab. Außerdem sei die Bedürftigkeit nicht nachgewiesen, weil der Verbleib des Erlöses aus dem Verkauf eines Hauses aus dem Jahre 1999 nicht geklärt sei. Dagegen legte die Klägerin am 13. Februar 2007 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2007, der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 5. November 2007 zugestellt, mit der Begründung zurückgewiesen wurde, die Klägerin habe einen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann, den sie zunächst verfolgen müsse.

Die Klägerin hat am 5. Dezember 2007 Klage erhoben und ausgeführt, Vermögen aus dem Hausverkauf sei nicht mehr vorhanden. Die Beträge seien für Reisen und diverse andere Ausgaben verbraucht worden. Außerdem habe der an Demenz leidende Ehemann das Vermögen teilweise verschleudert. Weil der Aufenthalt des Ehemannes im Pflegeheim nicht mehr bezahlbar gewesen sei und weil sie keine Leistungen von der Beklagten erhalten habe, sei der Ehemann wieder nach Hause zurückgekehrt. Vorher habe die Enkeltochter die Miete gestundet. Diese benötige die Miete aber, um das Haus finanzieren zu können. Der Ehemann sei zwar am 31. August 2007 wieder in die eheliche Wohnung zurückgekehrt. Im September habe der Lebensunterhalt aber wegen der Abtretung nicht bestritten werden können.

Die Klägerin h...

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