Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. fehlendes schlüssiges Konzept im Kreis Steinburg für die Jahre 2005/2006. Anwendung der Wohngeldtabelle mit Sicherheitszuschlag durch das Gericht

 

Leitsatz (amtlich)

Die im Kreis Steinburg im Jahre 2009 durchgeführte Wohnungsmarktanalyse ist kein schlüssiges Konzept zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Jahre 2006. Im Nachhinein kann kein schlüssiges Konzept für die Jahre 2005/2006 auf der Grundlage damals maßgeblicher Daten mehr erarbeitet werden. Angesichts dessen ist auf Werte des WoGG (Tabelle zu § 8 WoGG aF, rechte Spalte, juris: WoGG 2), erhöht um einen Sicherheitszuschlag in Höhe von 10%, abzustellen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 28. November 2008 aufgehoben.

Der Bescheid vom 21. Dezember 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2006 und der Bescheid vom 5. Juli 2006 werden geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern für den Leistungszeitraum vom 1. Januar 2006 bis 30. Juni 2006 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu gewähren.

Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Tragung von Unterkunftskosten. Im erstinstanzlichen Verhandlungstermin am 28. November 2008 haben die Kläger ihr Begehren auf die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten beschränkt. Das vorliegende Verfahren betrifft den Leistungszeitraum vom 1. Januar 2006 bis 30. Juni 2006.

Die ... 1952 geborene Klägerin zu 1. und der ... 1955 geborene Kläger zu 2. sind seit 1998 verheiratet. In dem hier strittigen Leistungszeitraum bewohnten sie ein seit dem 1. März 2000 gemietetes Einfamilienhaus in der ca. 250 Einwohner (Quelle: Wikipedia) zählenden und im Bereich des Amtes I...-Land belegenen Gemeinde D... (Kreis S...) mit vier Zimmern, Küche und Bad. Das 1947 fertiggestellte Haus hat eine Gesamtgröße von 100 m² bei einem Wohnflächenanteil von 65,05 m². Seit Januar 2005 betrug die Kaltmiete 360,00 EUR zuzüglich Nebenkosten (Betriebskosten) in Höhe von 41,29 EUR und Heizkosten in Höhe von 110,00 EUR; die Bruttokaltmiete betrug somit 401,29 EUR und die Warmmiete 511,29 EUR.

Die Klägerin zu 1. ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 80 und Zuerkennung des Merkzeichens “G„. In einem Arztbericht des W...klinikum H... wird als Diagnose beschrieben

“Belastungsinsuffizienz und chronische Schmerzen im Bereich des lumbosacralen Überganges mit pseudoradikulärer Ausstrahlung beidseits bei Verdacht auf zusätzliches Facettensyndrom L4/4 und L5/S1 sowie auch Verdacht einer Arthrose der IS-Fugen.„

In einer ärztlichen Bescheinigung vom 19. September 2005 erwähnt der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. U... eine rheumatische Erkrankung (Fibromyalgie). Darüber hinaus sind der Klägerin zu 1. nach ihren Angaben infolge einer Krebserkrankung mehrere innere Organe entfernt worden. Mit Bescheid vom 11. Juni 2007 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Nord der Klägerin zu 1. eine am 1. März 2007 beginnende Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit und führte aus, dass die Anspruchsvoraussetzungen ab 22. August 2006 erfüllt seien.

Die Kläger bezogen seit dem 1. Januar 2005 von dem Rechtsvorgänger des Beklagten, dem Leistungszentrum für Arbeitsuchende S... (im Folgenden einheitlich: der Beklagte) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zunächst übernahm der Beklagte die Unterkunftskosten in voller Höhe. Mit Schreiben vom 25. Januar 2005 wurden die Kläger aufgefordert, ihre Unterkunftskosten innerhalb von sechs Monaten zu senken, weil die Aufwendungen den angemessenen Unterkunftsbedarf übersteigen würden. Ob die Höhe der Unterkunftskosten angemessen sei oder nicht, richte sich vornehmlich nach den Verhältnissen auf dem örtlichen Wohnungsmarkt. Es sei darauf abzustellen, welche Wohnungen Bezieher unterer Lohn- und Gehaltsgruppen üblicher- und vernünftigerweise anmieten würden. Im Bereich des Kreises S... seien hierzu Erhebungen anhand von Wohnungsannoncen in regionalen Zeitschriften durchgeführt und die sich daraus ergebenden maximal angemessenen Unterkunftskosten festgeschrieben worden. Dabei sei festgestellt worden, dass im Bereich Amt I...-Land der angemessene Unterkunftsbedarf in einem Zweipersonenhaushalt mit 315,00 EUR (ohne Heizkosten) anzusetzen sei. Die Kläger hätten Kostensenkungsbemühungen nachzuweisen. Anderenfalls könnten nach Ablauf der sechs Monate nur noch die angemessenen Unterkunftskosten berücksichtigt werden.

Mit Bescheid vom 21. Dezember 2005 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. Juni 2006 Leistungen in Höhe von 1.047,00 EUR (Regelleistung 622,00 EUR, anerkannte monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung 425,00 EUR). Hiergegen erhoben die Kläger Widerspruch und machten - soweit hier noch von Bedeutung - geltend: Die K...

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