Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich einer versäumten Klagefrist
Orientierungssatz
1. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Klagefrist setzt voraus, dass der Kläger die gesetzliche Frist ohne Verschulden versäumt hat.
2. Eine Fristversäumnis eines schuldfähigen Beteiligten erfolgt ohne Verschulden, wenn dies weder vorsätzlich noch fahrlässig geschieht. Bedingter Vorsatz genügt. Das Vergessen einer fristwahrenden Handlung begründet regelmäßig Verschulden in der Form von Fahrlässigkeit.
3. Hat der Kläger nach seinem Vortrag geeignete anwaltliche Unterstützung nicht gefunden, so stellt dies kein unvorhersehbares Ereignis und damit keinen Grund dar, der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 6. August 2018 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Berufungsverfahren die Fortsetzung seines Verfahrens S 1 AS 585/15 und Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Mai 2008 bis 31. Juli 2011.
Mit seiner am 31. Dezember 2015 bei dem Sozialgericht Schleswig erhobenen Klage (S 1 AS 585/15), der er ein Mitwirkungsschreiben des Beklagten vom 4. Dezember 2015 sowie sein Antwortschreiben vom 4. Dezember 2015 beifügt hat, hat der Kläger ausgeführt, dass sich der Beklagte auf dubiose Vorwürfe beziehe und Erklärungen bzw. Unterlagen anfordere, für die es keine seriösen Unterlagen gebe, die er vorlegen könne. Er fordere den Beklagten auf, mit sofortiger Wirkung Leistungen nach dem SGB II zu erbringen. Mit dem genannten Schreiben vom 4. Dezember 2015 forderte der Beklagte den Kläger auf, zu seinem Antrag für den Leistungszeitraum 1. Mai 2008 bis 31. Juli 2011 weitere Erklärungen und Unterlagen einzureichen, um die Hilfebedürftigkeit für den genannten Zeitraum prüfen zu können. Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom 4. Dezember 2015, dass er aufgrund gesundheitlicher Beschwerden um eine Fristverlängerung bitte; zudem könne er die Anforderung von Unterlagen teilweise nicht nachvollziehen.
Das Sozialgericht hat den Kläger mit gerichtlichen Verfügungen vom 4. Januar 2015 und 11. Januar 2015 gebeten klarzustellen, ob das Verfahren als Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gelten solle. Der Kläger hat hierauf nicht reagiert. Mit Schreiben vom 4. Februar 2016 hat das Gericht dem Kläger daraufhin mitgeteilt, dass das Verfahren nunmehr als reguläres Klageverfahren durchgeführt werde.
Der Beklagte hat in dem Verfahren S 1 AS 585/15 mitgeteilt, dass für den Zeitraum 1. Mai 2008 bis 31. Juli 2011 ein bestandskräftiger Versagungsbescheid am 14. Dezember 2015 erlassen worden sei.
Das Sozialgericht hat den Kläger mit Schreiben vom 11. Februar 2016 aufgefordert mitzuteilen, gegen welchen Bescheid/Widerspruchsbescheid des Beklagten sich seine Klage wende und für welchen Zeitraum (höhere) Leistungen begehrt werden würden. Mit weiterem gerichtlichen Schreiben vom 6. Mai 2016 hat das Gericht den Kläger - nachdem er das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes S 25 AS 3/16 ER für erledigt erklärt hatte - aufgefordert mitzuteilen, ob sich das hiesige Verfahren erledigt habe; andernfalls werde um die Zusendung einer Klagebegründung gebeten. Das Sozialgericht hat den Kläger mit Schreiben vom 7. Juni 2016 an die Erledigung dieser Verfügung erinnert. Eine Reaktion des Klägers erfolgte nicht.
Mit prozessleitender Verfügung vom 8. Juli 2016 hat die Vorsitzende den Kläger zum Betreiben des Verfahrens aufgefordert. Sie hat den Kläger um Angabe gebeten, gegen welchen Bescheid sich die Klage richte, ob gegen diesen Bescheid Widerspruch erhoben worden sei und für welchen Zeitraum mit dieser Klage Leistungen nach dem SGB II begehrt werden. Zudem hat sie um Übersendung des Bescheides/Widerspruchsbescheides gebeten. Das Schreiben hat unter Bezugnahme auf § 102 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Hinweis enthalten, dass das Verfahren als zurückgenommen gelte, wenn er es trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibe. Das Gericht hat den Kläger konkret zum Betreiben des Verfahrens sowie zur Übersendung der benannten Auskünfte binnen der 3-Monatsfrist aufgefordert. Diese Verfügung hat die Vorsitzende mit vollem Namen unterzeichnet. Das Schreiben wurde dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 12. Juli 2016 persönlich übergeben.
Der Kläger hat hierauf mit Schreiben vom 4. August 2016 reagiert und u.a. mitgeteilt, dass es ihm bisher nicht möglich gewesen sei, zu reagieren. Er halte an seiner erneuten Klage jedoch fest und bitte um Fristverlängerung von 2 Wochen, um eine Klagebegründung zu formulieren und entsprechende Anlagen zusammenzustellen. Weitere Schreiben des Klägers zu diesem Verfahr...