Entscheidungsstichwort (Thema)
Folgen eines Verstoßes des Notars gegen die Pflicht zur elektronischen Einreichung beim Grundbuchamt
Leitsatz (amtlich)
1. Gemäß § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH ist der Notar verpflichtet, soweit technisch möglich, Dokumente in durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu übermitteln. Es handelt sich um eine Verpflichtung, die der Notar verbindlich einzuhalten hat.
2. Die Nichteinhaltung des § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH führt jedoch nicht dazu, dass die Einreichung unwirksam ist, § 135 Abs. 1 S. 3 GBO. Der Verstoß wirkt sich auf das Verfahren beim Grundbuchamt nicht aus, was der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dient und die Beteiligten vor ansonsten drohenden erheblichen Risiken schützt.
3. Gelten der Antrag und die eingereichten Dokumente wegen § 135 Abs. 1 S. 3 GBO als wirksam eingegangen, fehlt es (insoweit) an einem Eintragungshindernis, § 18 Abs. 1 GBO. Deshalb kann das Grundbuchamt - trotz eines Verstoßes gegen § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 ERVV SH - weder eine Zwischenverfügung noch eine Zurückweisung erlassen.
4. Die Einhaltung der Pflicht zur Einreichung von Dokumenten nach § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH kann jedoch durch die Dienstaufsicht durchgesetzt werden. Die Dienstaufsicht hat insbesondere bei einem wiederholten bzw. ständigen Verstoß ein disziplinarisches Einschreiten zu überprüfen.
Normenkette
ERVV SH § 3 Abs. 2 S. 2; GBO § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 4, S. 3
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers werden die Zwischenverfügungen vom 30.11.2022 und vom 19.01.2023 aufgehoben.
Das Grundbuchamt des Amtsgerichts Lübeck wird angewiesen, die Eintragung nicht davon abhängig zu machen, dass die eingereichten PDF-Dateien dem Formerfordernis des § 135 Abs. 1 S. 2 GBO i. V. m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV entsprechen.
Gründe
I. Mit Schreiben vom 25.10.2022 hat der Notar X aus Y für den Antragsteller gemäß § 15 GBO einen Antrag auf Eintragungen in das Grundbuch von Z, Blatt ..., des Amtsgerichts Lübeck gestellt.
Mit Zwischenverfügung vom 30.11.2022 hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts Lübeck den Notar unter anderem dazu aufgefordert, die Sterbeurkunden der Berechtigten Abt. II Nr. 1 mittels OCR-Scan einzureichen, da die eingereichten Dateien nicht technisch durchsuchbar seien.
Mit Aufklärungsverfügung vom 08.12.2022 hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts Lübeck weiter ausgeführt, die übersandten PDF-Dateien seien (mit Ausnahme des Schenkungs- und Überlassungsvertrages) nicht technisch durchsuchbar und genügten daher nicht der Formvorschrift des § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH. Es werde um erneute formgerechte Einreichung der beiden Sterbeurkunden und der Unbedenklichkeitsbescheinigung (mittels OCR-Scan) binnen 2 Wochen gebeten.
Hierauf hat der Notar am 12.12.2022 mitgeteilt, er sehe sich gehalten, "Grundbuchamt und Rechtspfleger [...] rechtlich fortzubilden". Man sei zwar in der Lage Dokumente mittels OCR zu scannen, sehe davon aber im Regelfall ab, da man festgestellt habe, dass OCR-Scans zum Teil verfälschte Ergebnisse lieferten, bei denen das Ausgangsdokument mit dem Scan nicht mehr vollständig inhaltlich übereinstimme. Dies sei "ein Grund technischer Unmöglichkeit iSv § 3 Abs. 2 Satz 2 der ERVV". Wesentlich sei in diesem Zusammenhang aber § 135 Abs. 1 S. 3 GBO, wonach die übermittelten Dokumente rechtswirksam eingegangen seien. Er beanstande, "dass das Gericht meint, mir eine "Aufklärungsverfügung" schicken zu müssen und der Inhalt dieser Aufklärung zum Teil falsch, jedenfalls aber unvollständig ist. Gern zitiere ich zum Abschluss meiner Belehrung aus BeckOK, GBR, § 135 Rn. 11".
Mit Zwischenverfügung vom 19.01.2023 hat das Grundbuchamt den Notar erneut dazu aufgefordert, die beiden Sterbeurkunden und die Unbedenklichkeitsbescheinigung formgerecht (mittels OCR-Scan) einzureichen. Die Formvorschrift des § 135 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GBO i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 ERVV SH sei nicht eingehalten. Es handele sich bei der ERVV SH um eine "Muss-Bestimmung".
Hiergegen hat der Notar am 20.01.2023 für den Antragsteller Beschwerde eingelegt und (erneut) auf § 135 Abs. 1 S. 3 GBO hingewiesen. Mit Blick auf die von ihm dargelegte technische Unmöglichkeit trage er ergänzend vor, dass an seinem Scanner OCR softwareseitig durch den Systembetreuer ausgeschaltet sei (als Sicherheitsfeature).
Durch Beschluss vom 08.02.2023 hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts Lübeck der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der rechtswirksame Eingang beim Grundbuchamt sei nie in Frage gestellt worden. Es sei von großer Bedeutung zu erfahren, ob die PDF-Dateien durchsuchbar eingereicht werden können oder müssen. Alle beim Grundbuchamt des Amtsgerichts Lübeck mittels OCR-Scan eingegangen PDF-Dateien seien bislang vollständig und ohne verfälschte Zeichen gewesen.
II. Die zulässige Beschwerde gegen die Zwischenverfügung hat in der Sache Erfol...