Entscheidungsstichwort (Thema)

Begründungsanforderungen bei Genehmigung einer zweijährigen Unterbringung

 

Leitsatz (amtlich)

Wird entgegen der regelmäßigen Höchstfrist von einem Jahr eine Unterbringung von 2 Jahren genehmigt, so ist näher zu begründen, weshalb eine geringere Unterbringungsfrist nicht ausreicht. Das gilt insb. dann, wenn zuvor Unterbringungsfristen von 6 Wochen für ausreichend gehalten wurden.

 

Normenkette

BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 1, § 1906 Nr. 2; FGG § 70 f. Abs. 1 Nr. 3, § 71

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Beschluss vom 31.10.2005; Aktenzeichen 7 T 524/05)

AG Lübeck (Aktenzeichen 4-XVII St 6537)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

 

Gründe

Der Betroffene leidet seit etwa 1994 an einer paranoiden Schizophrenie. Das AG hat ihm am 8.2.2000 einen Betreuer bestellt mit dem Aufgabenkreis Gesundheits- und Vermögenssorge sowie Aufenthaltsbestimmung. Seit März 2000 war der Betroffene auf Veranlassung seines jeweiligen Betreuers mit Genehmigung des AG 18 mal in geschlossenen Einrichtungen untergebracht. Ferner kam es mehrmals zu geschlossenen Unterbringungen nach dem PsychKG. Die Dauer der Unterbringungsanordnungen erstreckte sich von einer Woche bis zu 7 Monaten. Versuche, den Betroffenen für längere Zeit in offenen Wohneinrichtungen zu führen, schlugen i.E. fehl. Zuletzt - seit dem 21.10.2004 - gab es 4 Unterbringungsanordnungen von jeweils 6 Wochen.

Am 31.8.2005 hat der Beteiligte beantragte, eine geschlossene Unterbringung des Betroffenen für ein Jahr zu genehmigen, weil dieser im offenen Bereich des Heimes X. instabil sei und - wie in der Vergangenheit - eine Eigengefährdung drohe. Das AG hat nach Anhörung des Betroffenen und Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Stationsarztes. W. durch Beschl. v. 15.9.2005 die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens zum 15.9.2007 (2 Jahre) angeordnet. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das LG zurückgewiesen. Gegen dessen Beschluss, auf den zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 776b bis 780 d.A.), richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen.

Die nach §§ 70m Abs. 1, 70g Abs. 3 S. 1, 27, 29, 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist mit der Maßgabe der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG, 546 ZPO).

Das LG hat ausgeführt: Die Unterbringung des Betroffenen sei zur Vermeidung einer Selbstgefährdung und zur Heilbehandlung erforderlich. Der bisherige Krankheitsverlauf zeige, dass für eine dauerhafte Stabilisierung des gesundheitlichen Zustandes eine längerfristige Behandlung erforderlich sei. Bisher sei es immer zu kurzfristigen Exazerbationen seiner Erkrankung gekommen, insb., wenn er die erforderlichen Medikamente kurzzeitig abgesetzt habe. Andererseits habe sich sein gesundheitlicher Zustand unter der festen Struktur einer geschlossenen Einrichtung derart verbessern können, dass er in der Lage gewesen sei, in einer offenen Wohneinrichtung zu leben. Er sei derzeit nicht krankheits- und behandlungseinsichtig, so dass es einer langfristigen stationären Behandlung bedürfe, um ihn auf die erforderliche Medikation einzustellen, die Einnahme der Medikamente sicherzustellen, seinen gesundheitlichen Zustand zu stabilisieren und der Gefahr unkontrollierter Handlungen, durch die er sich selbst gefährden könne, entgegenzutreten. Dies sei für ihn die einzige Chance, in Zukunft ein relativ selbstbestimmtes Leben zu führen. Im Hinblick auf die Schwere der Erkrankung sei die genehmigte Unterbringungsdauer erforderlich und damit verhältnismäßig.

Nach den insoweit verfahrensfehlerfrei auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens und der Vorgeschichte des Betroffenen getroffenen Feststellungen des LG unterliegt es keinem Zweifel, dass die Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB vorliegen.

Rechtsfehlerhaft ist die angefochtene Entscheidung indessen insoweit, als die Dauer der Unterbringung von zwei Jahren nicht hinreichend begründet worden ist. Das Recht auf die Freiheit der Person hat unter den grundrechtlich verbürgten Rechten einen besonders hohen Rang (BVerfG v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99, NJW 2002, 2456 [2457]). Jede Genehmigung einer Unterbringung greift in schwerwiegender Weise in das Freiheitsrecht ein. Wird eine Unterbringung genehmigt, hat deshalb das gerichtliche Verfahren in jeder Hinsicht diese besondere Intensität des Grundrechtseingriffs zu beachten. Wird entgegen der regelmäßigen Höchstfrist von einem Jahr nach § 70 f. Abs. 1 Nr. 3 FGG eine Unterbringung von 2 Jahren gebilligt, so ist deshalb diese Abweichung ausreichend zu begründen (BayObLG v. 20.8.2001 - 3Z BR 250/01, FamRZ 2002, 629; v. 25.1.2005 - 3Z BR 264/04, BayObLGReport 2005, 301 = NJW-RR 2005, 1314). Daran fehlt es hier. Zwar leuc...

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