Leitsatz (amtlich)
Fahrradunfall: Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht eines Stadtparkbetreibers, der dort einen ungesicherten, abrupt in einer 83 cm tiefer liegenden Grube endenden Amphibientunnel unterhält
Normenkette
BGB §§ 254, 823 Abs. 1; StVO § 3 Abs. 1
Tenor
I. Die Beklagte wird gem. § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass die Berufung gegen das angefochtene Urteil offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung aus den nachfolgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen, sofern die Berufung nicht aus Kostengründen innerhalb der genannten Frist zurückgenommen werden sollte.
III. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für den 2. Rechtszug auf 222.323,85 EUR festzusetzen (Wert der Berufung: 88.929,54 EUR = 67.508,80 EUR + 1.420,74 EUR + 20.000,00 EUR für den Feststellungsausspruch; Wert der Anschlussberufung: 133.394,31 EUR = 101.263,21 EUR + 2.131,10 EUR + 30.000,00 EUR für den Feststellungsantrag).
Gründe
I. Die Klägerinnen machen aus übergegangenem Recht (§ 116 SBG X) Ansprüche der gesetzlich krankenversicherten X (geboren XX.XX.XXXX) aus einem Fahrradunfall geltend, der sich am 22.07.2013 gegen 23.45 Uhr im Stadtpark N ereignet hat. Die Beklagte ist Betreiberin des Stadtparks und für diesen verkehrssicherungspflichtig. Zu diesem Stadtpark gehört ein See mit einem Rundweg sowie eine Wasserskianlage mit einem Cafe nebst Terrasse und außen stehenden Liegestühlen. Der Rundweg wird von einem Gitterrost gekreuzt, der zur Abdeckung einer dort vorhandenen Amphibienleiteinrichtung (im Folgenden: Amphibientunnel) dient. Diese Einrichtung sah aus wie ein überdachter Abwasserkanal und endete nach ca. 8 m abrupt an einer Kante, die in eine 83 cm tiefer liegende Kuhle mündete.
Die Zeugin X, die mit ein paar Freunden abends noch im Stadtpark unterwegs gewesen war, wollte gegen 23.30 Uhr mit dem Fahrrad nach Hause fahren. Sie bog vom Rundweg nach rechts ab und fuhr auf dem mit Stahlgittersegmenten abgedeckten Amphibientunnel weiter bis sie in die Kuhle stürzte. Sie erlitt u. a. eine komplette Querschnittslähmung unterhalb D 12 nach ASIA Typ A sowie diverse Knochenbrüche, eine Unterkieferfraktur, eine Orbitalbodenfraktur rechts, ein Brillenhämatom sowie eine Kalottenfraktur frontal. Zuvor hatte die Geschädigte im Laufe des Abends vier Bier getrunken. Die am 23.07.2013 um 03.20 Uhr entnommene Blutprobe enthielt eine BAK von 0,78 o/oo.
Die Klägerinnen haben behauptet, die Beklagte habe als Betreiberin des Stadtparks ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Die auf dem Hauptweg vorhandenen Beleuchtungseinrichtungen seien größtenteils nicht eingeschaltet oder aber defekt gewesen. Die Unfallstelle sei nicht ordnungsgemäß abgesichert gewesen.
Die Klägerin zu 1. hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 168.772,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. aus 108.141,69 EUR seit dem 06.06.2014 und aus weiteren 60.630,32 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen und
2. die Beklagte zu verurteilen, sie von den Anwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten für deren vorgerichtliche Tätigkeit in dieser Sache in Höhe von 3.161,83 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 10.06.2015 freizustellen.
Die Klägerin zu 2. hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.551,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. hieraus seit dem 06.06.2014 zu zahlen und
2. die Beklagte zu verurteilen, sie von Anwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten für deren vorgerichtliche Tätigkeit in dieser Sache in Höhe von 564,66 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem seit dem 10.06.2015 freizustellen.
Beide Klägerinnen haben ferner beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, ihnen sämtliche weiteren Kosten, Schäden und Aufwendungen zu ersetzen, die ihnen aus der Verletzung der X, vom 22.07.2013 gegen 23:45 Uhr im Stadtpark N entstanden sind und noch entstehen werden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, die Beleuchtung im Stadtpark sei regelmäßig durch die Stadtwerke N kontrolliert worden. Die Abdeckung des Amphibientunnels sei für jeden Benutzer schon durch den unterschiedlichen Belag ohne weiteres erkennbar gewesen. Die Klägerinnen müssten sich außerdem ein ganz erhebliches, anspruchsausschließendes Mitverschulden der Geschädigten zurechnen lassen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Y, Z, H, K, B, S, N und M. Ferner ist die staatsanwaltschaftlich...