Leitsatz (amtlich)
Kosten, die das Mahngericht an sich in den Mahnbescheid und/oder Vollstreckungsbescheid hätte aufnehmen müssen, sind von diesem - und nicht vom fiktiven Prozessgericht - zu ergänzen.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 104 Abs. 1 S. 1, § 690 Abs. 1 Nr. 3, § 699 Abs. 3 S. 1, § 690 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
AG Schleswig (Aktenzeichen 07-2814097-01-N) |
AG Schwarzenbek (Aktenzeichen 2 C 185/08) |
Tenor
Zum zuständigen Gericht wird das AG Schleswig bestimmt.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat am 10.1.2008 gegen die Antragsgegnerin beim AG Schleswig als zuständigem Mahngericht einen rechtskräftig gewordenen Vollstreckungsbescheid über 616,38 EUR nebst Kosten und Zinsen erwirkt. Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 30.1.2008 hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin beim AG Schleswig beantragt, gegen die Antragsgegnerin seine Gebühren i.H.v. 117 EUR festzusetzen. Das AG Schleswig hat daraufhin dem AG Schwarzenbek als Streitgericht die Akten zur Kostenfestsetzung übersandt. Dieses hat mit Beschluss vom 18.2.2008 den Antrag wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Vollstreckungsbescheid keine Kostengrundentscheidung darstelle, auf Grund derer eine Kostenfestsetzung erfolgen könne. Mit Beschluss vom 28.3.2008 hat das AG Schleswig sich für sachlich unzuständig erklärt und zur Begründung ausgeführt, im Mahnverfahren finde die Festsetzung der Kosten ebenfalls gem. §§ 103, 104 ZPO statt. Für eine nachträgliche Ergänzung oder Festsetzung der Verfahrenskosten sei das fiktive Streitgericht gem. § 104 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO zuständig. Es hat die Akten dem AG Schwarzenbek zur ergänzenden Kostenfestsetzung zurückgesandt. Dieses hat die Sache dem Senat zur Entscheidung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt.
II. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor, da sich sowohl das AG Schwarzenbek als Streitgericht als auch das AG Schleswig als Mahngericht rechtskräftig in der Sache für unzuständig erklärt haben. Eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO findet auch Anwendung, sofern Streit wie im vorliegenden Fall über die sachliche Zuständigkeit besteht (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 36 Rz. 22).
Zum zuständigen Gericht ist in Anlehnung an die Entscheidung des OLG Schleswig SchlHA 1986, 63 (= JurBüro 1985, 781) das AG Schleswig zu bestimmen (so auch bereits die den beteiligten Gerichten bekannten Beschlüsse des Senats vom 16.4.2008 - 2 W 59/08 -; v. 1.6.2008 - 2 W 77/089).
Der Gesetzgeber hat die Kostenfestsetzung wegen der im Mahnverfahren entstehenden Gerichts - und Rechtsanwaltskosten des Antragstellers ausdrücklich dem Mahngericht zugewiesenen. So sind im Mahnbescheid bereits Kosten anzugeben (§ 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO), in den Vollstreckungsbescheid sind gem. § 699 Abs. 3 S. 1 ZPO die bisher entstandenen Kosten des Verfahrens aufzunehmen. Es handelt sich mithin um nichts anderes als ein dem Mahngericht zugewiesenes vereinfachtes Kostenfestsetzungsverfahren (OLG Nürnberg JurBüro 2006, 141; OLG München Rpfleger 1997, 172). Daraus folgt, dass der Vollstreckungsbescheid wegen der Kosten, die an sich in den Mahnbescheid und/oder den Vollstreckungsbescheid aufzunehmen gewesen wären, vom Mahngericht zu ergänzen ist (KGReport Berlin 2001, 69; zustimmend Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 699 Rz. 10; OLG München, a.a.O.; OLG Nürnberg, a.a.O.). Der vorstehenden Systematik würde widersprechen, wenn sich mit der Festsetzung der Kosten, die im Mahnverfahren entstanden sind und die auch hätten festgesetzt werden können, nunmehr das Streitgericht zu befassen hätte. Vielmehr entspricht es dem Zweck des Mahnverfahrens, dem Gläubiger auf schnellem und einfachem Wege einen Vollstreckungstitel zu verschaffen, wenn das Mahngericht den Vollstreckungsbescheid um die versehentlich nicht aufgenommenen Kosten ergänzt (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O.; KG, a.a.O.; KG MDR 1995, 530).
Eine Divergenzvorlage nach § 36 Abs. 3 ZPO an den BGH ist nicht veranlasst. Soweit das AG Schleswig auf die Entscheidung BGH NJW 1991, 2084 Bezug genommen hat, ist der zugrunde liegende Fall nicht vergleichbar. Denn dort hat der Prozessbevollmächtigte die Festsetzung seiner Kosten gegen seinen Mandanten begehrt, was ohnehin gem. §§ 690 Abs. 1 Nr. 3, 699 Abs. 3 S. 1 ZPO nicht möglich gewesen wäre. Im Fall des BayObLG MDR 2005, 769 (= NJW-RR 2005, 1012) wird die nachträgliche Verzinsung der festgesetzten Verfahrenskosten beantragt, mithin nicht von Kosten, die bereits während des Verfahrens entstanden sind.
Fundstellen
Haufe-Index 2015798 |
JurBüro 2008, 479 |
MDR 2008, 1004 |
Rpfleger 2008, 513 |
AGS 2008, 505 |
FoVo 2008, 191 |
OLGR-Nord 2008, 714 |