Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenfestsetzung. Kostenrecht
Leitsatz (redaktionell)
Auch ohne formelle Erneuerung des Auftrags sind die Erben zusammen mit dem Erblasser als mehrere Auftraggeber im Sinne von BRAGO § 6 anzusehen und lösen eine Gebührenerhöhung aus.
Normenkette
BRAGO § 6
Verfahrensgang
LG Lübeck (Beschluss vom 08.03.1989; Aktenzeichen 2 O 244/87) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird teilweise geändert:
Die Beklagte hat an die Klägerin weitere 389,06 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11. Januar 1989 zu erstatten.
Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt 1/3 der nach einem Beschwerdewert von 583,59 DM zu berechnenden Gerichtskosten; im übrigen ist das Beschwerdeverfahren gebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Gründe
Die Prozeßbevollmächtigten der Erbengemeinschaft haben die vorliegende Klage noch im Namen des Erblassers erhoben. Nach dessen Tod haben sie namens und in Vollmacht der Erben, nämlich der Ehefrau und der beiden Kinder, den Rechtstreit aufgenommen.
Im Kostenfestsetzungsverfahren haben die Prozeßbevollmächtigten der Erbengemeinschaft für diese eine um 9/10 erhöhte Prozeßgebühr geltend gemacht. Der Rechtspfleger hat die Festsetzung der Erhöhungsgebühr abgelehnt, weil die Erben als Gesamtrechtsnachfolger in das vom Erblasser begründete Auftragsverhältnis eingetreten seien, mithin der Auftrag von einem Auftraggeber ausgehe. Dagegen richtet sich die Erinnerung der Klägerin, der Rechtspfleger und Einzelrichter nicht abgeholfen haben.
Die gem. den §§ 21 Abs. 2, 11 Abs. 2 RPflG als sofortige Beschwerde geltende Erinnerung ist zulässig und begründet.
Zwar hat der Senat in dem von dem Rechtspfleger angeführten Beschluß vom 29.01.1979 (9 W 11/79 – SchlHA 1979, 132 = JurBüro 1979, 524) entschieden, daß mehrere Auftraggeber i. S. des § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO nicht vorliegen, wenn der Prozeßbevollmächtigte einen vom Erblasser begonnenen Rechtsstreit – ohne Erteilung eines neuen Auftrags durch die Erben – in deren Namen fortsetzt. Ebenso haben das OLG Bamberg JurBüro 1978, 1179 mit zustimmender Anm. Mümmler; das OLG Frankfurt AnwBl 1981, 403 und das OLG Düsseldorf Rpfleger 1982, 199 entschieden. Dieser Auffassung ist auch Mümmler JurBüro 1982, 190 und Göttlich/Mümmler, BRAGO, 16. Aufl., Rechtsnachfolger Ziff. 1). Gegenteiliger Auffassung sind das OLG München MDR 1985, 856; das OLG Hamm JurBüro 1989, 192; Gerold/Schmidt-von Eicken, BRAGO (9. Aufl., § 6 A 9 und Riedel-Sußbauer, BRAGO, 6. Aufl., Rdnr. 14).
Nach erneuter Überprüfung hält der Senat an seiner früheren Auffassung nicht fest, sondern schließt sich der offenbar im Vordringen befindlichen gegenteiligen Meinung an. Richtig bleibt zwar, daß Auftrag und prozessuale Vollmacht durch den Tod des Erblassers nicht erloschen sind und die Erben als Rechtsnachfolger lediglich in das bestehende Auftragsverhältnis eingetreten sind. Formal juristisch geht der Auftrag daher weiterhin von einem Auftraggeber, dem Erblasser, aus. Dies wird der Lebenswirklichkeit aber wenig gerecht. Von den Erben zu verlangen, das bestehende Auftragsverhältnis zu kündigen und ihren Prozeßbevollmächtigten einen neuen Auftrag zu erteilen, erscheint nicht praxisgerecht. Für die Annahme einer (stillschweigend erteilten) selbständigen Beauftragung fehlt es meist an hinreichenden Anhaltspunkten. Der Auftragskonstruktion kann letztlich nicht das ausschlaggebende Gewicht bei der Auslegung des § 6 BRAGO beigemessen werden. Diese Bestimmung stellt nicht darauf ab, wer den Auftrag erteilt hat, sondern für wie viele Auftraggeber der Rechtsanwalt tätig wird. Bei einer aus mehreren Personen bestehenden Erbengemeinschaft treten die Erben aber nach außen hin als neue Mandanten auf und verhalten sich auch so. Auch für den Anwalt entsteht bei einer aus mehreren Personen bestehenden Erbengemeinschaft regelmäßig ein Mehraufwand. Partei des Prozesses ist nicht mehr der Erblasser; vielmehr sind an seine Stelle die Mitglieder der Erbengemeinschaft getreten, von denen jeder einzelne durch den noch vom Erblasser beauftragten Anwalt vertreten wird. Auch ohne formelle Erneuerung des Auftrages müssen daher die Erben als mehrere Auftraggeber angesehen werden, um dem Sinn und Zweck des § 6 BRAGO gerecht zu werden, den mit mehreren Auftraggebern generell verbundenen Mehraufwand finanziell auszugleichen.
Hiernach steht der Erbengemeinschaft die erhöhte Prozeßgebühr zu, allerdings bei 3 Erben nur die um 6/10 erhöhte Gebühr. Der Erblasser kann nicht mehr mitgezählt werden, wie es offenbar geschehen ist.
6/10 von 632,– DM zuzüglich Mehrwertsteuer sind 432,29 DM. Davon kann die Klägerin entsprechend der Kostenentscheidung 9/10 = 389,06 DM erstattet verlangen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97, 92 ZPO, Nr. 1181 KV GKG.
Fundstellen