Entscheidungsstichwort (Thema)
Die Regelung der Kostenlast in einem außergerichtlichen Vergleich mit anschließender Klagrücknahme nimmt einer Kostengrundentscheidung nach § 269 Abs. 4 ZPO nicht das Rechtsschutzinteresse
Normenkette
ZPO § 269 Abs. 3 S. 2 Hs. 2, Abs. 4
Verfahrensgang
LG Lübeck (Beschluss vom 13.06.2013) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 28.6.2013 werden der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Lübeck vom 13.6.2013 sowie der Nichtabhilfebeschluss vom 16.7.2013 aufgehoben.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen - entsprechend der außergerichtlichen Einigung der Parteien - der Kläger 35 % und die Beklagte 65 %.
Gerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien haben sich außergerichtlich verglichen und vereinbart, dass der Kläger von den Kosten des Rechtsstreits 35 % und die Beklagte 65 % trägt. Sodann hat der Kläger die Klage, wie der Vergleich vereinbart, zurückgenommen.
Das LG hat daraufhin zwar antragsgemäß den Streitwert des Verfahrens auf 623.083,79 EUR festgelegt, im Übrigen jedoch den Antrag des Klägers vom 29.4.2013 auf Erlass einer Kostengrundentscheidung nach § 269 Abs. 4 ZPO mangels Rechtsschutzbedürfnisses zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers.
Der Kläger trägt vor, dass auch entsprechende Parallelverfahren bundesweit auf entsprechende Weise mit der Beklagten beendet wurden, in denen jeweils antragsgemäß eine entsprechende Kostengrundentscheidung ergangen ist. In einigen Fällen seien nämlich nachfolgende Kostenfestsetzungsanträge als unzulässig beanstandet worden, weil keine Kostengrundentscheidung vorlag. Die Rechtsauffassung des LG verkompliziere unnötig die bereits vergleichsweise beigelegten Gerichtsverfahren. Die Entscheidung diene nicht der Schaffung von Rechtsfrieden.
Die Kammer hat gleichwohl der Beschwerde nicht abgeholfen, da es ihrer Auffassung nach an einer rechtlichen Grundlage für die beantragte Kostengrundentscheidung fehle.
II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gem. §§ 269 Abs. 5, 567 ZPO zulässig und sachlich auch begründet.
Das LG hat zu Unrecht den Antrag des Klägers auf Erlass einer Kostengrundentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 ZPO als unzulässig zurückgewiesen.
Nach einer Klagrücknahme hat im Grundsatz gem. § 269 Abs. 3 Satz 2, Halbs. 1 ZPO der Kläger allein die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Aufgrund der unstreitigen außergerichtlichen Einigung der Parteien auf eine Kostenquote hat die Kammer zu Recht ausgeführt, dass hier die Ausnahmeregelung des § 269 Abs. 3, Satz 2, Halbs. 2 ZPO erfüllt ist, weil sich eine (teilweise) Kostenlast der Beklagten "aus einem anderen Grund" ergibt.
Anlass für die Ausnahmeregelung war die Neufassung des § 93d ZPO durch das Kindesunterhaltsgesetz vom 6.4.1998 (BGBl. I, Seite 66; vgl. BGH, IV ZB 6/05, Beschluss vom 6.7.2005, NJW-RR 2005, 1662-1664, zitiert auch in juris Rz. 6, m.w.N.). Durch das ZPO-Reformgesetz vom 27.7.2001 (BGBl. I, Seite 1887) ist § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO nur redaktionell angepasst worden. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum ZPO-Reformgesetz sollte klargestellt werden, dass dem Kläger die Kosten dann nicht auferlegt werden können, wenn einer der schon bisher von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle vorliegt (BGH, a.a.O., unter Hinweis auf BT-Drucks. 14/4722, 80). Dazu gehört insbesondere auch eine von § 269 Abs. 3, Satz 2, Hs. 1 ZPO abweichende Regelung der prozessualen Kostenlast in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich (vgl. BGH, Beschl. v. 24.7.2004 - XII ZB 4/04, FamRZ 2004, 1552 Rz. 1; BGH Beschluss vom 6.7.2005, a.a.O., zitiert auch in juris Rz. 7).
Nach § 269 Abs. 4 ZPO entscheidet das Gericht über die Kostentragungspflicht nach § 269 Abs. 3, S. 2 ZPO durch Beschluss auf Antrag des Klägers oder des Beklagten. Die Regelung der Kostenlast in einem außergerichtlichen Vergleich nimmt dem Kostenantrag nicht das Rechtsschutzinteresse und macht ihn folglich nicht unzulässig (Münchener Kommentar - Becker-Eberhard, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 269 Rz. 72).
Die Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist zwar von einem Automatismus geprägt und verbietet grundsätzlich die Prüfung materiell rechtlicher Anspruchsgrundlagen (vgl. Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 269 Rz. 51 m.w.N.). Die Abweichung von der Kostentragungspflicht des Klägers durch Berücksichtigung gesetzlich geregelter oder von der Rechtsprechung anerkannter Ausnahmefälle zu Lasten des Beklagten bedeutet jedoch nicht, dass im Rahmen des § 269 Abs. 4 ZPO bei der Kostengrundentscheidung nach Klagrücknahme eine bestehende materiell rechtliche Kostenerstattungspflicht (z.B. aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs) generell nicht berücksichtigt werden darf. Vielmehr ist auf Antrag des Klägers (im Fall einer - teilweisen - materiell rechtlichen Erstattungspflicht des Beklagten aus einem außergerichtlichen Vergleich) eine Kostengru...