Entscheidungsstichwort (Thema)

Regelung der elterlichen Sorge

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Interesse des Kindeswohls erscheint nur bei Vorliegen ganz erheblicher Gründe gerechtfertigt. Der schlichte Hinweis darauf, daß man nicht miteinander reden könne, Absprachen nur mit Hilfe von Anwälten treffen könne, genügt nicht.

 

Orientierungssatz

Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Interesse des Kindeswohls

 

Normenkette

BGB § 1671 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Meldorf (Aktenzeichen 43 F 115/98)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird das am 04.11.1998 verkündete Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Meldorf zu Ziffer II. des Tenors geändert.

Der Antrag der Antragstellerin, ihr die alleinige elterliche Sorge für die Kinder, geb. am, und, geb. am, zu übertragen, wird abgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500,– DM festgesetzt.

 

Gründe

Durch das am 04.11.1998 verkündete Urteil hat das Amtsgericht – Familiengericht – Meldorf die am 05.10.1990 geschlossene Ehe der Parteien geschieden und die elterliche Sorge für die gemeinschaftlichen Kinder, geb. am, und, geb. am, der Antragstellerin übertragen (Ziffer II. des Tenors). Zur Begründung dieser Sorgerechtsentscheidung hat das Amtsgericht ausgeführt, daß ein Fortbestand der gemeinsamen Elternsorge dem Kindeswohl abträglich wäre, da die Eltern im starken Maße zerstritten seien und ihre Beziehung durch wechselseitige Vorwürfe und Schuldzuweisungen geprägt sei. Unter diesen Umständen sei nicht zu erwarten, daß sie bezüglich der Kindeserziehung- und betreuung zu einer gemeinsamen Linie und zu einverständlichen Entscheidungen gelangen können.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde. Er vertritt die Auffassung, daß von dem Leitbild des Gesetzes nicht abgewichen werden dürfe. Frühere Streitigkeiten wegen des Umgangsrechtes reichten hierzu nicht aus, im übrigen verliefen die Besuche zwischen ihm und den Kindern auch jetzt recht gut. Die Antragstellerin habe nach § 1687 BGB die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. Dies wolle er ihr auch nicht streitig machen. Ihm gehe es vielmehr darum, bei bedeutenden Entscheidungen mitwirken zu können. Bei der Tendenz der Antragstellerin, ihn von derartigen Entscheidungen auszugrenzen, sei es notwendig, daß auch er die elterliche Sorge behalte.

Der Antragsgegner beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und keine Regelung zur elterlichen Sorge zu treffen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, daß Probleme, wenn überhaupt, nur mit anwaltlicher Hilfe einer Lösung zugeführt werden könnten. Die Parteien redeten nicht miteinander, sie seien völlig unfähig, irgendwelche anstehenden Probleme miteinander zu besprechen. Der Umgang zwischen Vater und Kindern funktioniere in dem Sinne gut, daß die Kinder den Vater regelmäßig sähen, Gespräche zwischen den Eltern fänden dabei jedoch nicht statt. Der Antragsgegner interessiere sich weder für schulische Belange noch für die gesundheitliche Situation der Kinder. Er überlasse alles ihr. Wenn über die gemeinsame elterliche Sorge Zwang ausgeübt würde, häufiger miteinander zu reden, dann würde das nur zu zusätzlichen Auseinandersetzungen und Streitigkeiten führen.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Nach § 1671 Abs. 1 BGB in der seit dem 01.07.1998 geltenden Fassung kann jeder Elternteil beantragen, daß ihm das Familiengericht die elterliche Sorge allein überträgt, wenn die Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt leben. Anders als bislang entscheidet das Familiengericht im Falle einer Scheidung nicht mehr von Amts wegen über das Sorgerecht, es wird vielmehr nur dann tätig, wenn ein Elternteil einen Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorge stellt. Durch dieses „Antragsmodell” hat der Gesetzgeber weder die gemeinsame elterliche Sorge zum Regelfall erklärt, noch ihr den Vorrang gegenüber anderen Sorgerechtsmodellen eingeräumt (Niepmann, Die Reform des Kindschaftsrechts, MdR 1998, 565, 566 m. H. a. BT-Drucks 13/4899 S. 61 u. 62). Er hat aber die Entscheidung der Eltern, die elterliche Sorge auch nach einer Trennung gemeinsam ausüben zu wollen, im Grundsatz der gerichtlichen Überprüfung und Korrektur entzogen. Das Gericht kann bei Fehlen eines Antrages nur dann tätig werden, wenn eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt, die aber nicht allein im Fortbestand der gemeinsamen Sorge gesehen werden kann (Niepmann, a. a. O. u. H. a. BT/Drucks 13/4899, S. 63 f.).

Beantragt ein Elternteil die alleinige elterliche Sorge, so ist diesem Antrag nach § 1671 Abs. 2 BGB N. F. stattzugeben, wenn

  1. der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, daß das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat und der Übertragung widerspricht, oder
  2. zu erwarten ist, daß die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragstelle...

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