Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweisung. rügelose Verhandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine rügelose Verhandlung zur Sache vor dem unzuständigen Gericht hindert eine Verweisung an das zuständige Gericht nicht, wenn es an der nach § 504 ZPO erforderlichen Belehrung des Beklagten über die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gefehlt hat.
2. Erfolgt der Hinweis nach § 504 ZPO erst nach mündlicher Verhandlung, wird die Sperre des § 39 S. 2 ZPO erst von diesem Zeitpunkt an aufgehoben und das sachlich unzuständige Gericht erst durch rügelose Verhandlung des Beklagten in der nächsten mündlichen Verhandlung zuständig.
3. Ein vor der mündlichen Verhandlung erklärter Verzicht des Beklagten auf die Erhebung der Rüge der Unzuständigkeit entfaltet Wirkungen nur, wenn Form und sachliche Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsvereinbarung gemäß § 38 ZPO gegeben sind.
Orientierungssatz
Verweisung trotz Rügeverzicht des Beklagten
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, §§ 39, 281 Abs. 2 S. 4, § 504; WEG § 43 Nr. 5
Verfahrensgang
AG Oldenburg i.H. (Aktenzeichen 16 C 52/10) |
LG Lübeck (Aktenzeichen 12 O 354/11) |
Tenor
Als sachlich zuständig wird das Landgericht Lübeck bestimmt.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist in X Eigentümer des Flurstücks 34/1 der Flur 1, Gemarkung X. Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft ist Eigentümerin des benachbarten Flurstücks 34/2, auf dem sich die Wohnungsanlage befindet, des daran angrenzenden Flurstücks 39/1 (öffentlicher Weg) und der Flurstücke 93/39 und 30/1 der Flur 1 auf der dem Weg gegenüberliegenden Seite, die zum Parken und als Kinderspielplatz genutzt werden (vgl. Flurkarte Bl. 16 d. A.), sowie eines Flurstücks 65/38 derselben Flur, dessen genaue Lage nicht vorgetragen ist.
Die Beklagte hat ursprünglich auf dem Flurstück 93/39 eine Müllcontaineranlage für ca. 50 Parteien, die zu ihrer Wohnungseigentumsanlage gehören, und ein zu ihrer Anlage gehörendes Restaurant betrieben, die sie auf das Kinderspielplatzflurstück 30/1 verlegt hat.
Der Kläger hat beim Amtsgericht Oldenburg i. H. Klage eingereicht, mit der er von der Beklagten wegen erheblicher Geruchsbelästigung und Lärmbelästigung zunächst die Beseitigung der Müllcontaineranlage verlangt hat, die nach seinem Vortrag aus 5 großen Containern und 5 weiteren Mülltonnen besteht (Klagantrag zu 1). Dazu hat er geltend gemacht, dass die in unmittelbarer Nähe zu seinen Wohn- und Schlafräumen befindlichen Container neben erheblichem Hausmüll auch Gewerbemüll aus Restaurants enthalten und beim Öffnen und Schließen der Container, insbesondere durch Feriengäste der der Beklagten gehörenden Wohnungen, von der Anlage nicht nur tagsüber, sondern auch nachts Lärm ausgehe. Die Errichtung einer Müllcontaineranlage sei auf diesem Flurstück auch gar nicht zulässig. Das Flurstück sei im Bebauungsplan als private Grünfläche ausgewiesen und werde als Kinderspielplatz genutzt. Für die Wohnungseigentumsanlage sei nach der Baugenehmigung die Abstellfläche für die Müllcontainer im Bereich der Hauseingänge ausgewiesen.
Auf Hinweis des Amtsgerichts, dass der Klagantrag zu 1) betreffend die Müllcontaineranlage unzulässig sein dürfte, weil vor Klageerhebung kein Schlichtungsverfahren durchgeführt worden sei, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Januar 2011 diesen Klagantrag zurückgenommen, jedoch mit Schriftsatz vom 25. Februar 2011 erneut erhoben, nachdem das Schlichtungsverfahren erfolglos war. Auf weiteren Hinweis des Amtsgerichts hat er den Klagantrag zu 1) mit Schriftsatz vom 17. August 2011 umgestellt. Er beantragt nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen es zu unterlassen (gemeint: sicherzustellen), dass von dem Müllcontainerstellplatz auf dem Flurstück 30/1 der Flur 1, Gemarkung X für das klägerische Grundstück keine unzumutbaren Geruchs-, Geräusch- und Sichtbelästigungen sowie Emissionen ausgehen (Bl. 88 d. A.).
Außerdem verlangt er von der Beklagten, die Pflasterung auf dem Flurstück 39/1 in der südlichen Ecke in einer Länge von 5 m und einer Breite nach Osten hin von 2 m um 30 cm abzusenken (Klagantrag zu 2), Bl. 2 d. A.). Bei diesem im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstück und dem daran anschließenden Grundstück des Klägers handelt es sich um einen öffentlich genutzten Weg, an dem ein Geh-, Liefer- und Fahrrecht für die Allgemeinheit besteht. Die Beklagte hat nach dem Vortrag des Klägers das genannte Flurstück um 30 cm über das normale Niveau angehöht, indem sie auf das bestehende Kopfsteinpflaster an der Grenze Betonbordsteine gesetzt, die dahinter liegende Fläche mit Sand aufgefüllt und mit Verbundpflaster befestigt hat. Der Kläger macht geltend, durch die Grundstücksanhöhung könne er die auf seinem Grundstück befindlichen Garagentore nicht mehr öffnen (Fotos Bl. 55 d. A.). Außerdem werde die Benutzung des Gehrechts durch die Erhöhung des Bodenniveaus beeinträchtigt. Es bestehe im Übergang zwischen den beiden Grundstücken eine erhebliche Unfallgefahr, für die auch er haftbar gemacht werden könnte, wenn ein Passant an diesem Übergang stürz...