Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit des Familiengerichts bei geringem Bezug des Verfahrens zum Sachgebiet des Wohnungseigentumsrechts

 

Normenkette

GVG § 17a Abs. 3, 6; FamFG § 266 Abs. 1 Nr. 3; WoEigG § 43

 

Verfahrensgang

AG Reinbek (Beschluss vom 13.05.2014)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 16.09.2015; Aktenzeichen XII ZB 340/14)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Reinbek vom 13.5.2014 geändert und wie folgt gefasst:

Der von der Antragstellerin beschrittene Rechtsweg zu den Familiengerichten ist zulässig.

II. Die Kosten der Beschwerde hat der Antragsgegner zu tragen.

III. Der Verfahrenswert der Beschwerde beträgt 20.000 EUR.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Die Beschwerde richtet sich gegen die Annahme des Familiengerichts, das Verfahren betreffe das Wohnungseigentumsrecht.

I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner waren vom 13.5.2000 bis 16.9.2010 in Gütertrennung verheiratet. Der Antragsgegner war Alleineigentümer des Grundstücks R. in E.. Am 8.6.2000 teilte er das Eigentum an diesem Grundstück in hälftige Miteigentumsanteile, die eine Hälfte verbunden mit Sondereigentum an der Praxis, die andere Hälfte verbunden mit Sondereigentum an den Wohnräumen. Durch den Kaufvertrag über Wohnungseigentum von diesem Tag verkaufte der Antragsgegner den hälftigen Miteigentumsanteil verbunden mit Sondereigentum an der Praxis an die Antragstellerin für 115.000 DM.

Die Antragstellerin macht zur Begründung ihres rechtshängigen Antrags geltend, sie habe in das auf dem Grundstück gemeinsam errichtete Gebäude rund 300.000 EUR investiert. Ihr Miteigentumsanteil habe jedoch nur einen Verkehrswert von 240.000 EUR. In Höhe von 60.000 EUR handele es sich um eine ehebedingte Zuwendung an den Antragsgegner, deren Geschäftsgrundlage mit dem Scheitern der Ehe entfallen sei. Der erhobene Anspruch auf Zahlung dieses Betrages ergebe sich auch aus den Grundsätzen der Ehegatteninnengesellschaft und des Gesamtschuldnerausgleichs.

Der Antragsgegner tritt dem erhobenen Anspruch entgegen. Das angerufene Familiengericht sei örtlich nicht zuständig, da das Grundstück nicht in seinem Bezirk liege. Mögliche Ausgleichspflichten seien nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) abzuwickeln. Die Aufwendungen hätten nicht der Erfüllung und Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern allein der Eigentümergemeinschaft gedient, die Anspruchsgegnerin sei. Das Scheitern der Ehe habe keinen Einfluss auf diese Gemeinschaft. Die behaupteten Mehraufwendungen der Antragstellerin seien keine Zuwendung an den Antragsgegner. Der behauptete Wert des Miteigentumsanteils der Antragstellerin von 240.000 EUR werde bestritten. Die Antragstellerin habe die Errichtungskosten nicht überproportional getragen. Er habe an die Antragstellerin 230.500 DM gezahlt, die in deren Aufstellung nicht berücksichtigt seien.

Das Familiengericht hat sich durch den angefochtenen Beschluss für funktionell unzuständig erklärt und das Verfahren an das AG Schwarzenbek verwiesen, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Soweit die Antragstellerin einen Ausgleich für Baukosten verlange, handele es sich um einen Streit zwischen Wohnungseigentümern über die Verteilung von Baukosten und damit unabhängig von der Anspruchsgrundlage um eine Wohnungseigentumssache, nicht um eine Familiensache.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie bringt vor, die maßgeblichen Rechtsfragen seien solche des Familienrechts, die das Wohnungseigentumsrecht nur am Rande berührten. Zuständig sei das sachnähere Familiengericht. Der Antragsgegner hält den angefochtenen Beschluss dagegen für richtig.

II. Die nach §§ 17a Abs. 6 und 4 Satz 3 GVG, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Zuständig für das Verfahren ist das Familiengericht. Das ist nach § 17a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 2 GVG auszusprechen, da der Antragsgegner dessen Zuständigkeit rügt.

1. Sonstige Familiensachen sind nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG Verfahren, die Ansprüche zwischen ehemals miteinander verheirateten Personen im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung der Ehe betreffen. Diese - weit auszulegenden (vgl. BGH FamRZ 2013, 281 juris Rz. 29) - Voraussetzungen liegen vor. Das Verfahren betrifft Ansprüche der ehemals mit dem Antragsgegner verheirateten Antragstellerin im Zusammenhang mit der Scheidung der Ehe.

2. Eine sonstige Familiensache liegt nach § 266 Abs. 1 FamFG nicht vor, wenn das Verfahren das Wohnungseigentumsrecht betrifft. Das vorliegende Verfahren betrifft nicht das Wohnungseigentumsrecht.

a. Das Verfahren betrifft das Wohnungseigentumsrecht, wenn sich ehemals miteinander verheiratete Personen als Beteiligte einer Streitigkeit i.S.d. § 43 WEG gegenüberstehen (vgl. Zöller/Lorenz ZPO, 30. Aufl., § 266 FamFG Rz. 24; Keidel/Giers FamFG 18. Aufl., § 266 Rz. 22; Burger, in: Bork/Jacoby/Schwab FamFG 2. Aufl., § 266 Rz. 11; weiter gehend bereits bei jeder Vorfrage aus dem WEG: Hüsstege in Thomas/...

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