Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbrechtsnachweis bei unauffindbarem Testament
Leitsatz (amtlich)
1. Wer sich auf ein unauffindbares Testament beruft, muss die formgültige Errichtung und den Inhalt des Testaments beweisen und trägt im Erbscheinverfahren insoweit die Feststellungslast.
2. Ist nur ein Teil der Verfügungen des unauffindbaren Testamentes feststellbar, können sie Grundlage eines erbrechtlichen Anspruchs nur dann ausnahmsweise sein, wenn der Gesamtwille des Erblassers insoweit erkennbar ist, dass ohne Rücksicht auf den Inhalt und Umfang des nicht festgestellten Teils des Testamentes der feststellbare Teil Bestand haben soll und dieser Teil durch die Unbestimmtheit der nicht bekannten Verfügungen seinem Umfang nach nicht wesentlich berührt wird.
3. Ist bewiesen, dass der Erblasser ein zwar nicht auffindbares, aber formgültiges Testament mit einem bestimmten Inhalt errichtet hat, trägt die Feststellungslast hinsichtlich einer späteren absichtlichen Vernichtung des Testaments als Widerruf gem. § 2255 BGB derjenige, der sich auf die Ungültigkeit des Testaments zur Begründung seines Erbrechts beruft.
Normenkette
BNotO § 18 Abs. 2; BGB §§ 2255, 2355-2356
Verfahrensgang
AG Norderstedt (Beschluss vom 15.02.2010; Aktenzeichen 33 VI 420/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des AG - Nachlassgericht - Norderstedt vom 15.2.2010 aufgehoben. Das Nachlassgericht wird angewiesen, der Beteiligten zu 1. den beantragten Erbschein, der sie als Alleinerbin des Erblassers ausweist, zu erteilen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erheben. Eine Kostenerstattung wird nicht angeordnet.
Der Geschäftswert beträgt 40.000 EUR.
Gründe
I. Der am ... verstorbene Erblasser ist Vater der Beteiligten zu 2. und 3. Er war insgesamt ... verheiratet, die ... Ehefrau ... verstarb am ... Die beiden Söhne des Erblassers entstammen früheren Ehen des Erblassers.
Im Dezember ... lernte der Erblasser die Beteiligte zu 1. kennen.
Die Beteiligte zu 1. hat am 6.8.2009 bei dem AG Norderstedt einen Erbschein beantragt, wonach sie Alleinerbin des Erblassers sei.
Zur Begründung hat die Beteiligte zu 1. ausgeführt, der Verstorbene habe sie durch eine handschriftlich abgefasste letztwillige Verfügung zu seiner alleinigen Erbin bestimmt. Der Erblasser habe das Testament selbst geschrieben und über eine Mitarbeiterin Y zu dem Notar X gebracht, der das Testament sodann dem Erblasser wieder habe zukommen lassen.
Nunmehr könne das Testament nach dem Tod des Erblassers nicht mehr in seiner Wohnung aufgefunden werden. Die Beteiligte zu 1. habe den Inhalt des Testaments aber gekannt. Es habe folgenden Wortlaut gehabt:
Testament
Im Vollbesitz meiner geistigen Verfassung setze ich,..., geboren am ... in ..., Frau ..., geboren am ... in ... zu meiner Alleinerbin ein. Über Frau ... wird Frau ... dafür Sorge tragen, dass meine Enkelkinder bedacht werden.
Nach dem Ableben des Erblassers habe der Notar X, der das Testament also gekannt habe, die Beteiligte zu 1. darauf hingewiesen, sie sei Alleinerbin und demnach berechtigt, die Nachlassangelegenheiten zu besorgen.
Die Beteiligte zu 1. trägt zu den persönlichen Verhältnissen vor, sie habe sich am ... mit dem Erblasser verlobt, eine Hochzeit sei für Juni ... geplant gewesen. Die Beziehung zwischen ihr und dem Erblasser sei bis zu seinem Tod gleich geblieben, so dass das Testament nicht geändert worden sei.
Der Erblasser habe die gesetzliche Erbfolge ausschließen wollen. Zu dem Beteiligten zu 2. hätte er ursprünglich zwar eine gute Beziehung gehabt, das habe sich aber nach dem Tod der ... Ehefrau,..., geändert ... Im Verlauf der Beratungsgespräche mit dem Notar X habe der Erblasser mehrmals betont, seinen Sohn ... von seinem Nachlass ausschließen zu wollen. Mit dem Beteiligten zu 3. habe der Erblasser zwar keinen Konflikt, aber über einen langen Zeitraum keinen Kontakt gehabt.
Am 14.8.2009 haben die Beteiligten zu 2. und 3. beim AG Norderstedt die Erteilung eines auf sie ausgestellten gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt. Am 22.10.2009 haben sie beantragt, den Antrag der Beteiligten zu 1. zurückzuweisen.
Sie haben bestritten, dass der Erblasser die Beteiligte zu 1. durch handschriftlich abgefasste letztwillige Verfügung zur Alleinerbin eingesetzt habe. Ein notarielles Testament habe nicht vorgelegen und selbst wenn ein anderes Testament existiert hätte, so hätte der Verstorbene es wieder vernichtet, da es nicht seinem Willen entsprochen hätte. Das könne aus dem Umstand geschlossen werden, dass der Erblasser das Testament von dem Notar heraus verlangt habe. Das mache nur Sinn, wenn er es habe vernichten wollen.
Die Beteiligten zu 2. und 3. haben ein Verlöbnis des Erblassers mit der Beteiligten zu 1. bestritten. Es sei durchaus möglich, dass der Erblasser der Beteiligten zu 1. etwas versprochen und sie in dem Glauben gelassen habe, ihr etwas zuzuwenden, ohne dieses Versprechen tatsächlich einhalten zu wollen ...
Das AG hat in nichtöffentlicher Sitzung am 26.11.2009 die Beteiligte zu 1...