Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtsstand bei Internetdelikten
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Internetdelikten ist der Erfolgsort i.S.d. § 32 ZPO dort, wo der beanstandete Internetauftritt gemäß der zielgerichteten Bestimmung abrufbar ist; beim Einstellen urheberrechtlich geschützter Werke in ein Filesharing-System kommt es nicht auf den Standort des Servers an.
2. Für Klagen wegen Urheberrechtsverletzungen an einem deutschsprachigen und für den deutschen Markt bestimmten Computerspiel ist damit grundsätzlich jedes deutsche Gericht nach § 32 ZPO örtlich zuständig.
3. Der Kläger darf die Wahl zwischen den zuständigen Gerichten auch unter taktischen Gesichtspunkten treffen.
4. Die Ausnutzung eines formal gegebenen (fliegenden) Gerichts-standes ist aber dann rechtsmissbräuchlich, wenn sie aus sachfremden Gründen erfolgt, insbesondere in der Absicht, den Gegner etwa durch Auswahl eines für ihn schlecht erreichbaren Gerichts zu schädigen.
Normenkette
ZPO §§ 32, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281 Abs. 2 S. 4
Verfahrensgang
Tenor
Als örtlich zuständiges Gericht wird das AG Norderstedt bestimmt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen behaupteter unerlaubter Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes über das Internet in Anspruch.
Sie produziert und vermarktet digitale Unterhaltungsprodukte, und zwar u.a. Computerspiele. Der vorliegende Rechtsstreit bezieht sich auf das Spiel "G.", das von der A. GmbH in Halle/Saale entwickelt und am 31.8.2012 erstmals veröffentlicht wurde. Die Klägerin behauptet, sie sei aufgrund von Verträgen mit der Entwicklerin ausschließliche Nutzungsrechtsinhaberin u.a. für Deutschland.
Mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2012 mahnte die Klägerin den Beklagten ab, weil dieser über seinen Internetanschluss am 10. und 18.9.2012 jeweils unerlaubt - über ein sog. Peer-to-Peer Netzwerk - Raubkopien des Spiels "G." zum Herunterladen angeboten habe. Unter Fristsetzung forderte sie den Beklagten auf, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben. Ferner unterbreitete sie ihm das Angebot, die Angelegenheit mit Blick auf mögliche Ansprüche durch Zahlung eines Pauschalbetrages von 900 EUR zu erledigen.
Der Beklagte gab mit Schreiben vom 4.12.2012 eine modifizierte Unterlassungserklärung ab. Den Tatvorwurf bestritt er. Er habe weder eine Tauschbörsensoftware installiert, noch die streitgegenständliche Spieldatei auf seinem PC gehabt. Ferner habe er bereits im März 2011 seine Ehefrau und seinen volljährigen Sohn darauf hingewiesen, dass insbesondere das Verwenden einer Tauschbörsensoftware in aller Regel zu Urheberrechtsverletzungen führe und dass er dies nicht gestatte. Zu einer Zahlung an die Klägerin war und ist der Beklagte nicht bereit.
Die in Österreich ansässige Klägerin hat am 26.3.2013 beim AG Wedding als Mahngericht den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides wegen einer Hauptforderung von 900 EUR gegen den Beklagten gestellt, der im Bezirk des AG Langen in Hessen wohnt. Als Prozessgericht hat die Klägerin das AG Norderstedt angegeben. Der erlassene Mahnbescheid ist dem Beklagten am 30.3.2013 zugestellt worden. Nach Widerspruch ist die Sache mit Verfügung des Mahngerichts vom 5.5.2013 an das AG Norderstedt abgegeben worden. In der Anspruchsbegründung vom 6.6.2013 hat die Klägerin die Forderung dahin aufgeschlüsselt, dass sie einen Betrag von 532 EUR als lizenzanalogen Schadensersatzanspruch geltend mache und den weiteren Teilbetrag von 368 EUR wegen ihrer außergerichtlichen Anwaltskosten verlange.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat u.a. die örtliche Unzuständigkeit des AG Norderstedt gerügt. Die Wahl dieses Gerichts, zu dessen Bezirk keine der Parteien oder auch nur ihre Prozessbevollmächtigten einen Bezug hätten, sei rechtsmissbräuchlich. Im Übrigen sei § 32 ZPO überhaupt nicht anwendbar, weil die behauptete Verletzungshandlung allenfalls im PC des jeweiligen Tauschbörsennutzers - nach der Behauptung der Klägerin also bei ihm, dem Beklagten - stattgefunden habe. Der sog. fliegende Gerichtsstand sei nicht uferlos.
Die Klägerin hat dagegen die Auffassung vertreten, die Zuständigkeit des AG Norderstedt ergebe sich aus § 32 ZPO. Die Verletzungshandlung bestehe im öffentlichen Zugänglichmachen des betroffenen Spiels gem. § 19a UrhG, also einer unerlaubten Handlung. Das Spiel sei zu den genannten Tatzeitpunkten bestimmungsgemäß auch im Bezirk des AG Norderstedt öffentlich zum Herunterladen bereitgehalten worden. Der Beklagte habe es gerade nicht - praktisch zum Abholen - am Standort seines Computers öffentlich zugänglich gemacht, sondern über ein Peer-to-Peer Netzwerk als dezentrale Internettauschbörse. Die Angebote hätten sich bestimmungsgemäß an alle potentiellen Teilnehmer der Börse deutschland- und weltweit gerichtet. Die Auswahl des AG Norderstedt sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Anders als in dem Fall einer Entscheidung des LG Aurich (Urt. v. 22.1.2013 - 6 O 38/13), auf die der Beklagte sich beruft, habe sie gerade ein Gericht in unmi...