Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltsbeiordnung bei Verfahrenskostenhilfe im Vaterschaftsfeststellungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Im Vaterschaftsfeststellungsverfahren ist dem Antragsgegner, dem Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird, jedenfalls dann, wenn die Beteiligten entgegengesetzte Ziele verfolgen, ein Rechtsanwalt beizuordnen.
Normenkette
FamFG § 78 Abs. 2, § 111 Nr. 2, §§ 112, 114 Abs. 1, § 169 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Meldorf (Beschluss vom 28.06.2010) |
Tenor
Der Beschluss des AG - Familiengericht - Meldorf vom 28.6.2010 wird wie folgt geändert:
Dem Antragsgegner wird im Rahmen der für das erstinstanzliche Verfahren bewilligten Verfahrenskostenhilfe Rechtsanwalt ... in ... beigeordnet.
Eine Beschwerdegebühr wird nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Antragsgegner wird vom Antragsteller auf Feststellung der Vaterschaft in Anspruch genommen. Das AG - Familiengericht - bewilligte ihm Verfahrenskostenhilfe, wies seinen Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes jedoch mit der Begründung ab, die Sachlage sei nicht als schwierig einzustufen und es sei nicht damit zu rechnen, dass der Antragsgegner für das weitere Verfahren anwaltlicher Hilfe bedürfe, zumal das Gericht in Ausübung des Amtsermittlungsgrundsatzes ein Abstammungsgutachten in Auftrag geben und das Beweisergebnis entsprechend würdigen werde.
Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit der sofortigen Beschwerde, die im Wesentlichen damit begründet wird, dass bei Abstammungssachen wegen ihrer existenziellen Bedeutung eine anwaltliche Vertretung grundsätzlich geboten sei.
II. Die gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Familiengerichts ist dem Antragsgegner im konkreten Fall der von ihm ausgewählte Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigter beizuordnen.
Nach § 78 Abs. 2 FamFG wird einem Beteiligten in Verfahren, in denen eine anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben ist, auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt dann beigeordnet, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich erscheint.
In Abstammungssachen i.S.d. §§ 111 Nr. 2, 169 Nr. 1 FamFG ist eine anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben (§§ 112, 114 Abs. 1 FamFG).
Maßgebend ist daher (zumindest in erster Linie) die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage aus objektiver Sicht (vgl. OLG Saarbrücken FamRZ 2010, 1001).
Das beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles.
Für Vaterschaftsfeststellungsverfahren bedeutet dies, jedenfalls dann, wenn die Beteiligten - wie hier - entgegengesetzte Ziele verfolgen, dass die Beiordnung eines Rechtsanwaltes erforderlich ist.
Denn trotz einfach darzustellender Tatsachenlage (z.B. Behauptung des Mehrverkehrs) ist dem juristischen Laien unter Umständen nicht von vornherein bekannt, welchen Vortrags es für seine beabsichtigte Rechtsverteidigung im Hinblick auf die hier strengen Beweisanforderungen bedarf (OLG Dresden, Beschl. v. 30.6.2010 - 24 WF 558/10, zitiert nach juris).
Jedenfalls begründet sich die Schwierigkeit der Sach-und Rechtslage aus dem Umstand, dass ein rechtsmedizinisches Fachgutachten eingeholt wird und - wovon von vornherein ausgegangen werden kann - eine den Laien unter Umständen überfordernde Auswertung erforderlich ist (OLG Hamm FamRZ 2010, 1363).
Dem steht nicht entgegen, dass in Vaterschaftsfeststellungsverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, da auch im Amtsermittlungsverfahren die mittellose Partei nicht schlechter gestellt werden darf als eine Partei, die die Kosten des Rechtsstreits aufbringen kann und die Aufklärungs- und Beratungspflicht des Anwalts über die Reichweite der Amtsermittlungspflicht des Richters hinausgeht (BVerfG FamRZ 2002, 531; BGH FamRZ 2010, 1243; Keidel/Zimmermann, FamFG, 16. Aufl., § 78 Rz. 6).
Entscheidend ist vielmehr, dass aufgrund der Schwere des Eingriffs in die Rechte des Antragsgegners (Abstammung, Unterhaltspflicht, Erbrecht), die mit den für und gegen alle wirkenden Abstammungsverfahren verbunden ist, davon auszugehen ist, dass auch ein Bemittelter in der Situation des Antragsgegners vernünftigerweise einen Rechtsanwalt beauftragen würde und daher eine Beiordnung geboten ist.
Dies hat auch der BGH in seiner Entscheidung vom 11.9.2007 (FamRZ 2007, 1968) angenommen.
Soweit er in der Entscheidung vom 23.6.2010 (FamRZ 2010, 1427) davon Abstand genommen hat, betrifft das lediglich - hier nicht vorliegende - Verfahren, in denen ein Verfahrenspfleger bestellt wird, der die Interessen der Beteiligten wahrnehmen soll. Diese Einschränkung folgt aus dem Verweis des BGH auf die BT-Drucks. 16/6308 (S. 214), in der es heißt: " Die Schwere des Eingriffs in die Rechte eines Beteiligten erfüllt dagegen die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Basis der Verfahrenskostenhilfe regelmäßig nicht. Hier sind die Interessen des Beteiligten vielmehr in hinreichendem Umfang durch die Bestellungen eines Verfa...