Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg bei Feststellungsantrag betreffend Insolvenzforderung
Leitsatz (amtlich)
Der Antrag festzustellen, dass die zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung wegen nicht gezahlter Sozialversicherungsleistungen auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht, gehört vor die ordentlichen Gerichte, auch wenn die Höhe der öffentlich-rechtlichen Beitragsforderung im Streit ist.
Normenkette
SGB IV §§ 28a ff.; InsO §§ 174, 184, 286, 301 Nr. 1; BGB § 823 Abs. 2, § 826; StGB §§ 263, 266a
Verfahrensgang
LG Lübeck (Beschluss vom 03.03.2011; Aktenzeichen 12 O 251/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des LG Lübeck vom 3.3.2011 aufgehoben.
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist gegeben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
Der Beschwerdewert wird auf 20.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Über das Vermögen des Beklagten ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden (... AG.).
Die Klägerin beantragt festzustellen, dass ihre Forderung gegen den Beklagten wegen nicht gezahlter Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 312.950,91 EUR abzgl. anerkannter 53.189,62 EUR, mithin ein Betrag von 259.761,29 EUR die Qualität von Forderungen aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen hat (§ 826 BGB).
Die Parteien streiten um von dem Beklagten als Arbeitgeber nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge in der Zeit zwischen dem 1.1.2001 und dem 28.2.2006. In dem genannten Zeitraum beschäftigte der Beklagte Arbeitnehmer, ohne sie bei der Sozialversicherung zu melden und Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Der Beklagte wurde wegen dieses Sachverhalts, den er dem Grunde nach einräumt, zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Am 15.4.2008 erließ die Deutsche Rentenversicherung Bund einen Bescheid, aus dem sich nach dem Vortrag der Klägerin ergeben soll, dass der Beklagte Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 312.950,91 EUR nicht gezahlt habe. Die von der Klägerin in dieser Höhe zur Tabelle angemeldete "Deliktsforderung" hat der Beklagte in Höhe eines Betrages von 53.189,62 EUR und insoweit auch hinsichtlich des Vorwurfs einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung anerkannt. Im Übrigen hat er die Forderung der Höhe nach und wegen des Deliktsvorwurfs bestritten. Der Betrag von 53.189,62 EUR entsprach dem in dem Strafverfahren gegen den Beklagten festgestellten Betrag.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Feststellungen aus dem Bescheid der Rentenversicherung seien gegenüber dem Beklagten bestandskräftig und auch in einem Zivilrechtsstreit bindend.
Der Beklagte bestreitet, Sozialversicherungsbeiträge über den von ihm bereits anerkannten Umfang hinaus zu schulden. Dass er durch sein Verhalten eine unerlaubte Handlung begangen habe, stellt er nicht in Abrede. Er meint aber, die Klägerin habe die abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge unzutreffend berechnet, sie rechne sich auf seine Kosten reich. Insoweit bestehe weder ein sozialrechtlicher Anspruch noch ein Anspruch aus unerlaubter Handlung. Gegen den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung habe er Widerspruch eingelegt; einen Widerspruchsbescheid habe er nicht erhalten.
Das LG hat mit dem angefochtenen Beschluss den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für unzulässig erklärt und die Sache an das Sozialgericht Lübeck verwiesen. Zur Begründung hat das LG ausgeführt:
Die Klägerin habe entsprechend den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung zur Tabelle einen Gesamtbetrag von 312.950,91 EUR als Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile angemeldet. Diese Forderung, bei der es sich zweifelsfrei um eine öffentlich-rechtliche Forderung handele, sei zwischen den Parteien der Höhe nach streitig. Demgegenüber sei der Streit der Parteien über die Frage, ob diese Forderung - soweit sie bestehe - auch auf einen deliktsrechtlichen Anspruch gestützt werden könnte, eher untergeordneter Natur. Der Beklagte habe bereits eingeräumt, Arbeitnehmer ohne entsprechende Anmeldung beschäftigt zu haben; wenn sich ein öffentlich-rechtlicher (Primär-) Anspruch der Klägerin in einer bestimmten Höhe als begründet erweise, wäre dieser auch als (Sekundär-)Anspruch aus unerlaubter Handlung begründet. Ob der Primäranspruch tatsächlich bestandskräftig geworden sei, stehe nicht fest. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre das Zivilgericht nicht an die dem Leistungsbescheid zugrunde liegenden Feststellungen gebunden. Weil mithin schon die öffentlich-rechtliche Primärforderung im Streit sei, nicht die sekundäre Feststellung der Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung, sei die Zuständigkeit der Sozialgerichte gem. §§ 185 InsO, 51 SGG gegeben. Die Entscheidung des BGH (Beschl. v. 2.12.2010 - IX ZB 271/09 Rz. 6 bei juris) stehe nicht entgegen, weil der Beklagte dort Widerspruch ausdrücklich nur gegen die rechtliche Einordnung der Forderung als einer solchen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung erhoben hatte.
Gegen diesen Beschluss rich...