Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassung
Leitsatz (amtlich)
Werden durch eine Arzneimittelwerbung ausschließlich Fachkreise angesprochen, kann auch ein kleines, kompaktes aber zugleich inhaltsreiches Schriftbild der Pflichtangaben als „gut lesbar” i.S.d. § 4 Abs. 4 HWG angesehen werden
Orientierungssatz
Lesbarkeit von Pflichtangaben in Arzneimittelwerbung
Normenkette
HWG § 4 Abs. 4; UWG § 1
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Aktenzeichen 5 O 43/01) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens nach einem Beschwerdewert von 15.000 DM.
Gründe
Die gemäß § 567 Absatz 1 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Die Antragstellerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Antragsgegnerin untersagt wird, im geschäftlichen Verkehr für das Arzneimittel „N” in einer Form zu werben, wie dies in dem Druckwerk GELBE LISTE – PHARMINDEX geschehen ist. Ein Verfügungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht. Ein Verstoß gegen § 1 UWG i.V.m. § 4 Absatz 4 Heilmittelwerbegesetz (HWG) kann nicht festgestellt werden. Die übrigen Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung nach § 13 UWG können dahinstehen.
Nach § Absatz 4 HWG müssen die hier in Frage stehenden Pflichtangaben „von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt, abgegrenzt und gut lesbar sein”.
Die Werbung der Beklagten zu 1) in dem Druckwerk GELBE LISTE – PHARMINDEX für das Arzneimittel „N” erfüllt unter Berücksichtigung der eingeschränkten Schutzwürdigkeit des speziellen Adressatenkreises der Werbung diese Anforderungen.
Für die von § 4 Absatz 4 HWG geforderte Mühelosigkeit des Lesens kommt es neben der Schriftgröße auch auf andere Umstände – beispielsweise auf die Drucktype, die Farbe, das Papier u. a. – an, weil die Pflichtangaben keinesfalls durch die Gesamtwirkung der Anzeige erdrückt und damit der Aufmerksamkeit des Betrachters entzogen werden dürfen (BGH Urteil vom 10.12.1986 – ZR 213/84, NJW 1988, 766 = LM HeilmittelwerbeG Nr. 24 = MDR 1987, 470 = GRUR 1987, 301). Entgegen der Behauptung der Antragstellerin sind die Angaben in der streitgegenständlichen Anzeige trotz einer Versalhöhe der Schrift von 6 Punkt (Nonpareille), schmaler Laufweite der Schrift, engen Abstandes der Textzeilen und des Fehlens von Absätzen ohne weiteres, d. h. ohne Konzentration und Anstrengung, noch gut lesbar.
Bei der Beurteilung der Lesbarkeit der Pflichtangaben ist auf den durchschnittlich normalsichtigen Leser bei normalen Sichtverhältnissen abzustellen (BGH a.a.O. m.w.N.). Dieser Begriff ist zwar nicht im Sinne einer 100%igen Sehfähigkeit zu verstehen, von der möglicherweise in der Augenmedizin als dem Normalfall ausgegangen wird. Vielmehr muß als normal eine durchschnittlich normale Sehfähigkeit, d. h. eine Sehfähigkeit mit einer gewissen Schwankungsbreite um 100 % herum angesehen werden (BGH Urteil vom 13.05.1987 – I ZR 68/85, NJW 1988, 767 = LM HeilmittelwerbeG Nr. 25 = MDR 1988, 117 = GRUR1988, 68).
Normalsichtigkeit in diesem Sinn schließt mithin gewisse Beeinträchtigungen der vollen Sehkraft ein. Danach könnten Zweifel bestehen, ob die fraglichen Pflichtangaben noch „gut lesbar” sind.
Doch genügt das Schriftbild des streitgegenständlichen Textes auch diesen erhöhten Anforderungen unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er sich auschließlich an Fachkreise im Sinn des § 2 HWG wendet. Die GELBE LISTE PHARMINDEX ist, wie gerichtsbekannt ist, ein Verzeichnis von Fertigarzneimitteln. Sie ist eine Arbeitshilfe für Fachkreise und enthält in ihrem „redaktionellen” Teil ausführliche Angaben zur Zusammensetzung, zu Gegenanzeigen und Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Dosierung, Haltbarkeit, Packungsgrößen und Preisen der Arzneimittel, basierend ausschließlich auf Hersteller-Informationen. Die in dem Druckwerk auch enthaltenen Werbeseiten richten sich folgerichtig ebenfalls ausschließlich an Fachkreise, also Angehörige der Heilberufe oder des Heilgewerbes sowie sonstige Personen, die in ihrem Beruf Arzneimittel anwenden oder vertreiben. Andere Personen werden die GELBE LISTE nur gelegentlich zur Hand nehmen. Dem Fach-Adressatenkreis ist aber, wenn er sich des Druckwerks bedient, an sachlicher Information gelegen. Ihn wird daher auch in einer Anzeige in erster Linie der Inhalt der Pflichtangaben interessieren. Das hier gegebene kleine, kompakte aber zugleich inhaltsreiche Schriftbild wird den Leser, anders als dies bei einer Publikumszeitschrift der Fall wäre, nicht abschrecken. Es entspricht vielmehr dem von Arzneimittel-Packungsbeilagen. Es besteht daher nicht die Gefahr, dass die Bedeutung der Pflichtangaben vom bildhaften übrigen Inhalt der Werbung verdrängt wird.
Damit ist der Schutzzweck der Vorschrift erreicht, die bei der Werbung gegenüber Fachkreisen gewährleisten soll, daß der Werbeadressat sich ein nicht nur einseitiges, möglicherweise von emotionalen Einflüssen geprägtes Bild vom Wert eines beworbenen Arzneimittels macht, sondern eine möglichst rationale Entscheidung über die Einsatzmöglichkeiten und die Eignung des angebotenen Arzneim...