Entscheidungsstichwort (Thema)
Beurteilungsspielraum bei Auswahlentscheidung zwischen Bewerbern um eine Notarstelle
Leitsatz (amtlich)
Bei der Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern um eine ausgeschriebene Stelle für einen (Anwalts-)Notar kann die Justizverwaltung bei Ausfüllung ihres Beurteilungsspielraums nach § 6 Abs. 3 BNotO, 7 Abs. 1 AVNot Schl. H. auch einem Bewerber mit der geringeren Punktzahl den Vorzug geben, soweit dieser Bewerber im Rahmen einer wertenden Gesamtschau besser geeignet erscheint. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn bei dem punktbesseren Bewerber im Bereich einer der beiden für die fachliche Eignung wesentlichen Komponenten - den praktisch erworbenen Fähigkeiten und Kenntnissen sowie der theoretischen Fortbildung - ein vollständiger Ausfall festzustellen ist.
Normenkette
BNotO § 6; AVNot Schl.-H. §§ 6-7
Tenor
Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung vom 7.1.2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens nach einem Geschäftswert von 50.000 EUR. Die weitere Beteiligte trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe
I. Der 1964 geborene Antragsteller ist seit 1994 als Rechtsanwalt zugelassen, zunächst mit Amtssitz in A, seit 1996 dann in B. Er hat sich um die im Amtsgerichtsbezirk X in den Schleswig-Holsteinischen Anzeigen 2007, S., ausgeschriebene freie Notarstelle beworben. Einzige Mitbewerberin ist die 1965 geborene weitere Beteiligte, die ebenfalls seit 1994 als Rechtsanwältin zugelassen ist und ihre Tätigkeit durchweg in B ausgeübt hat.
Die Antragsgegnerin ermittelte für den Antragsteller im Rahmen der Punktebewertung nach § 6 Abs. 2 AVNot i.d.F. v. 21.8.2006 (SchlHA 2006, 307 ff.) einen Punktewert von 106,55 Punkten, die sich aus folgenden Einzelpunkten zusammensetzte:
Staatsprüfung 41,25 Punkte
Anwaltstätigkeit 42,50 Punkte
Fortbildungskurse 0,00 Punkte
Niederschriften 22,80 Punkte
Sonderpunkte 0,00 Punkte
zusammen 106,55 Punkte
Die Antragsgegnerin ermittelte für die weitere Beteiligte 104,35 Punkte mit folgenden Einzelpunkten:
Staatsprüfung 41,90 Punkte
Anwaltstätigkeit 39,25 Punkte
Fortbildungskurse 10,80 Punkte
Niederschriften 7,40 Punkte
Sonderpunkte (Fachanwältin Familienecht) 5 Punkte
zusammen 104,35 Punkte
Der Präsident des LG C sprach sich mit Datum vom 27.8.2007 dafür aus, unter Berücksichtigung einer Gesamtschau von einer gleichwertigen Eignung der beiden Bewerber auszugehen, weshalb der weiteren Beteiligten der Vorzug zu geben sei, weil Bewerberinnen und schwerbehinderte Menschen bei gleichwertiger Eignung vorrangig berücksichtigt werden müssten (§ 7 Abs. 1 Satz 2 und § 7 Abs. 2 AVNot). Dies gelte auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die weitere Anerkennung der Schwerbehinderung bei der weiteren Beteiligten (GdB von 80 % ab 01/2002 für fünf Jahre, Neubescheidung mit einem GdB von 30 %, dagegen Widerspruch eingelegt) gegenwärtig in Frage stehe. Zur Begründung führte der Landgerichtspräsident aus, der Vorsprung des Antragstellers beruhe im Wesentlichen in der im Bereich der praktischen Vorbereitung erzielten deutlich höheren Punktzahl. Es müsse aber bedacht werden, dass er abgesehen von der Absolvierung des Grundkurses über keine theoretischen Vorbereitungen auf das Notaramt verfüge. Er habe nicht einen einzigen notarspezifischen Fortbildungskurs besucht. Bei ihm sei deshalb ein ausgewogenes Verhältnis der fachspezifischen Leistungen zueinander nicht zu erkennen. Die Einseitigkeit der von ihm erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse trete offen zu Tage. Das Gewicht sei deutlich zugunsten einer rein praktischen Einarbeitung auf das angestrebte Notaramt bei gleichzeitig gänzlich fehlender theoretischer Vorbereitung verschoben. Weil beide Bewerber mit einer Punktedifferenz von 2,2 dicht beieinander lägen, käme diesem krassen Missverhältnis in seiner Gesamtwürdigung ausschlaggebende Bedeutung zu.
Demgegenüber sprach sich der Vorstand der Schleswig-Holsteinischen Notarkammer unter dem 17.10.2007 dafür aus, dem Antragsteller den Vorzug zu geben. Die vorliegenden Daten würden es nicht rechtfertigen, von der nach Punkten ermittelten Reihenfolge der Bewerber abzuweichen. Sie seien nicht geeignet, den geringen Punkteabstand beider Bewerber zu überwinden. Es gelte insbesondere zu berücksichtigen, dass die von der weiteren Beteiligten nachgewiesene Fortbildungstätigkeit überwiegend mehr als 3 Jahre zurück liege. Ein Großteil der nachgewiesenen Fortbildungen liege sogar mehr als 7 Jahre zurück. Lediglich zwei Halbtage Fortbildung seien innerhalb von 3 Jahren vor Antragstellung absolviert worden.
Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller unter dem 28.11.2007 mit, dass sie beabsichtige, die ausgeschriebene Notarstelle mit der Mitbewerberin zu besetzen. Nach § 7 Abs. 1 AVNot würde im Regelfall die Bewerberin oder der Bewerber mit der höchsten Punktzahl bestellt, sofern nicht die nachfolgende Bewerberin besser geeignet erscheine. Ob die Mitbewerberin wegen ihrer praktischen Erfahrung und ihrer umfangreich erworbenen theoretischen Ken...